Helmichs Chemie-Lexikon

RGT-Regel

Eine 1884 von dem niederländischen Chemiker Jacobus Henricus VAN'T HOFF (1852-1911, Nobelpreis für Chemie 1901) aufgestellte Regel, nach der die Reaktionsgeschwindigkeit (RG) chemischer und biochemischer Prozese durch Temperaturerhöhung (T) beschleunigt werden. Nach der RGT-Regel nimmt die Geschwindigkeit einer solchen Reaktion um das Zwei- bis Dreifache zu, wenn die Temperatur um 10 Grad Celsius erhöht wird.

Der genaue, nur experimentell zu ermittelnde Faktor wird übrigens Q10-Wert genannt.

Die Ursache für die Beschleunigung chemischer Reaktion mit der Erhöhung der Temperatur liegt in der Kinetik chemischer Reaktionen, welche durch die Stoßtheorie sehr gut und anschaulich beschrieben wird.

Danach müssen chemische Teilchen der Ausgangsstoffe zusammenstoßen, wenn es zu einer Reaktion kommen soll. Dabei gibt es erfolgreiche Stöße und nicht erfolgreiche Stöße. Ein Zusammenstoß ist dann erfolgreich, wenn er energiereich genug ist. Die bei einem solchen Stoß freigesetzte Energie hängt unter anderem von der Geschwindigkeit der Teilchen ab.

Je höher die Temperatur, desto schneller bewegen sich die Teilchen in einer Flüssigkeit oder einem Gas, und je schneller sich die Teilchen bewegen, desto mehr kinetische Energie besitzen sie nach der Formel

$E_{kin}=\frac{1}{2}mv^{2}$

Daher führt eine Erhöhung der Temperatur zu einer Zunahme der Bewegungsgeschwindigkeit der Teilchen.

Die folgende Formel zeigt den Zusammenhang zwischen Temperatur und kinetischer Energie von Teilchen in der Gasphase:

$E_{kin}=\frac{2}{3}kT$

Dabei ist k die Boltzmann-Konstante mit dem Wert 1,380 649 ⋅10-23J/K

Mit steigender Temperatur T und steigender kinetischer Energie der Teilchen steigt auch der Anteil der erfolgreichen Stöße. So nimmt die Geschwindigkeit der chemischen Reaktion zu.

Bei biologischen Prozessen sind die Grenzen einer solchen Geschwindigkeitszunahme allerdings recht eng gesetzt, da fast alle biochemischen Prozesse durch Enzyme katalysiert werden, die ab 45 ºC anfangen, zu denaturieren. Nach unten hin ist bei biochemischen Prozessen die Gültigkeit der RGT-Regel durch den Gefrierpunkt des Wassers begrenzt, da in einer eingefrorenen Zelle so gut wie gar keine biochemischen enzymkatalysierten Vorgänge ablaufen können. Durch die beginnende Eisbildung werden die empfindlichen Bestandteile der Zelle zerstört.

Bei biologischen Prozessen gilt die RGT-Regel also nur in Bereichen zwischen 0 ºC und ca. 50 ºC .