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Die Organisation der DNA

Versuche - DNA-Struktur - DNA-Organisation

Die beiden DNA-Fäden eines typischen menschlichen Chromosoms sind jeweils bis zu 4 cm lang - wenn man sie vollständig auseinanderziehen würde. Ein Metaphase-Chromosom ist aber nur 1/100 Millimeter lang; es ist also 8000 mal kürzer als die beiden darin enthaltenen DNA-Fäden! Der Grund hierfür ist recht simpel: Die langen DNA-Fäden müssen in den recht kleinen Zellkern der Eukaryotenzelle hineinpassen.

Wie kommt diese starke Verkürzung (Kondensierung) zustande? Ganz einfach! Stellen Sie sich einen zehn Meter langen Bindfaden vor. Nun wickeln Sie diesen Bindfaden zu einem Knäuel auf. Dieses Knäuel hat dann einen Durchmesser von vielleicht 4 oder 5 Zentimetern.

So ähnlich werden die DNA-Fäden einer menschlichen Zelle kondensiert (verdichtet). Allerdings ist diese Kondensation nicht ganz so einfach wie die des Bindfadens. Wenn wir einen 10 Meter langen Bindfaden in ein 5 cm durchmessendes Knäuel kondensieren, haben wir einen Kondensationsfaktor von 1000 : 5 bzw. 200 : 1. Die Länge des Bindfadens beträgt nach der Kondensation nur noch 1/200 der ursprünglichen Länge. Ein Chromosom, wie man es während der Metaphase der Mitose im Lichtmikroskop sehen kann, ist aber auf 1/8000 kondensiert. Ein einfaches "Aufwickeln" oder "Zusammenknüllen" reicht hier also nicht aus. Das "Aufwickeln" eines DNA-Fadens geschieht in mehreren Stufen.

Stufe 1: Nucleosomen

Organisation eines Nucleosoms
Autor: Ulrich Helmich, Lizenz: Lizenz: Creative Commons Attribution-ShareAlike 4.0.

Auf dem Bild "Organisation eines Nucleosoms" kann man gut erkennen, wie sich die DNA um einen Komplex aus acht kleinen Proteinen wickelt (ca. 1,6 Windungen mit 146 bis 147 Basenpaaren). Dieser Komplex wird aus den Histonen H2A, H2B, H3 und H4 gebildet; jedes Protein kommt zweimal in dem Komplex vor. Histone sind leicht positiv geladene basische Proteine, welche die negativ geladene DNA elektrisch anziehen. Das Histon H1 spielt eine besondere Rolle bei der Verknüpfung der einzelnen Nucleosomen zur nächsthöheren Struktur.

Durch das "Wickeln" der DNA um den Histonkomplex wird ein Kondensationsfaktor von ca. 5 bis 10 erreicht. Das ist noch nicht sehr viel, wenn man an den tatsächlichen Faktor von 8000 denkt. Aber wir sind ja auch noch lange nicht fertig mit dem Kondensieren…

Nucleosomen

Auf dieser Lexikonseite finden Sie weitere Informationen zu den Nucleosomen.

Stufe 2: 10nm-Faser

Zwischen den einzelnen Nucleosomen befindet sich eine Art "nackter" DNA, so ca. 50 bis 70 Basenpaare lang.

Eine schnell hingeworfene Skizze der 10 nm - Faser

Eine schnell erstellte Graphik der 10 nm - Faser
Autor: Ulrich Helmich 2020. Dieses Bild baut auf dem Bild von Darekk2 aus der Wikipedia auf, daher unterliegt es ebenfalls der "Creative Commons Attribution-Share Alike 3.0 Unported" Lizenz.

Stellen Sie sich eine Perlenkette vor, um die jemand feinen Silberdraht gewickelt hat, dann bekommen Sie eine ungefähre Vorstellung von Aufbau der sogenannten 10 nm-Faser, der nächsten Stufe in der Organisation der DNA.

Allerdings täuscht das obige Bild etwas. Die "Perlenkette" der Nucleosomen ist keineswegs so regelmäßig aufgebaut, wie man es hier und in den meisten Fachbüchern sieht. Es gibt bestimmte Bereiche in der DNA, in denen die Nucleosomendichte wesentlich geringer ist als hier dargestellt. Das sind vor allem Bereiche im Centromer der Chromosomen und in Promotoren von Genen. Durch die verringerte Nucleosomendichte können sich hier bestimmte Enzyme leichter an die DNA anlagern, zum Beispiel die RNA-Polymerase, die ja die Transkription von Genen durchführt.

Stufe 3: 30-nm-Faser

Unter bestimmten Bedingungen (hohe Ionenkonzentration) bildet diese 10 nm-Faser wiederum eine Spirale mit einem Durchmesser von 30 nm, die als 30-nm-Faser oder 30-nm-Filament bezeichnet wird. Das Histon H1 ist bei dieser Faserbildung beteiligt, wie Versuche ergeben haben. Entfernt man H1 experimentell, so löst sich die 30-nm-Faser auf, fügt man H1 hinzu, bildet sich die 30-nm-Faser wieder zurück [3].

Durch die Bildung von 30-nm-Fasern wird die Länge der DNA insgesamt um den Faktor 40 reduziert [6].

Eine grobe Darstellung des Solenoid-Modells der 30 nm-Faser
Quelle: Wikipedia, Artikel "Solenoid (DNA)", Autor: Richard Wheeler, Lizenz: Creative Commons Attribution-ShareAlike 4.0.

Diese Struktur wird dann als 30 nm-Faser oder Solenoid-Struktur bezeichnet. Es gibt allerdings auch noch andere Strukturen, je nach Salzgehalt und pH-Wert des Milieus. Eine Windung dieser Spirale besteht aus sechs Nucleosomen. Der Kondensationsfaktor der DNA liegt jetzt bei ca. 50. Das ist immer noch nicht sehr viel.

Nach neueren Erkenntnissen gibt es aber Zweifel an der alleinigen Existenz dieser Solenoid-Struktur der 30-nm-Faser [5]. Es wurden eine Reihe alternativer Strukturen gefunden bzw. vorgeschlagen, die bekannteste Alternativ-Struktur ist das Zick-Zack-Modell, das genau so wie die klassische Solenoid-Struktur elektronenmikroskopisch beobachtet worden ist.

Die DNA, die sich in einer solchen kompakten 30-nm-Solenoid- oder Zick-Zack-Struktur befindet, kann nicht transkribiert werden. Vor der Transkription müssen diese Strukturen aufgelöst werden.

Stufe 4: 300 nm-Faser

Bei der "Aufwicklung" der 30 nm-Faser zu einer zehnmal so dicken Struktur spielen die Histone keine Rolle mehr, jetzt kommen andere Proteine ins Spiel. Nach neueren Erkenntnissen bilden diese Proteine quasi das Grundgerüst eines Chromosoms, in das dann die 30 nm-Fasern "eingehängt" werden. Unter bestimmten Bedingungen kann man im Elektronenmikroskop als nächsthöhere Struktur Fasern mit 250 bis 300 nm Durchmesser erkennen.

Durch die Bildung von 300-nm-Fasern wird die Länge der DNA insgesamt um den Faktor 680 reduziert [6].

Stufe 5: 700 nm-Faser

Die 300 nm-Fasern wickeln sich dann nochmals zu Fasern von ca. 700 nm Durchmesser auf. Diese Fasern schließlich sind dann "aufgewickelt" zum eigentlichen Chromosom.

Durch die Bildung von 700-nm-Fasern wird die Länge der DNA insgesamt um den Faktor 12.000 reduziert [6].

Stufe 6: Chromosom

Damit wären wir am Ende der DNA-Kondensation.

Typisches Lehrbuchbild des Chromosomenaufbaus
Quelle: commons.wikimedia.org, Autor: Phrood~commonswiki, Lizenz: public domain.

Hier noch einmal ein schönes Bild, wie man es aus den meisten Oberstufen-Lehrbüchern kennt. Ob ein Chromosom tatsächlich so aufgebaut ist, ist noch nicht endgültig geklärt. Allein über die genaue Struktur der 30-nm-Phaser gibt es kontroverse Ansichten, ist sie eher spiralig aufgebaut oder eher zick-zack-förmig?

Quellen:

  1. Alberts, Bruce et al. Molekularbiologie der Zelle, 6. Auflage, Weinheim 2017.
  2. Berg, Tymoczko, Gatto jr., Stryer: Stryer Biochemie, 8. Auflage, Springer Berlin Heidelberg 2018.
  3. Knippers, Molekulare Genetik, Stuttgart 2006.
  4. Spektrum-Lexikon der Biologie, Artikel "Histon-Acetylierung".
  5. Jochen Graw: Genetik, 7. Auflage, Springer Spektrum, Berlin 2021.
  6. Spektrum-Lexikon der Biologie, Artikel "Chromatinorganisation".