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RNA-Interferenz durch siRNAs

Das Phänomen der RNA-Interferenz wurde 1998 von Andrew Fire und Craig Mellow bei Experimenten mit dem Fadenwurm Caenorhabditis elegans entdeckt. Im Jahre 2006 wurden die beiden Forscher dafür mit dem Nobelpreis ausgezeichnet.

Der Fadenwurm Caenorhabditis elegans
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Bei der RNA-Interferenz lagert sich ein zur mRNA komplementäres siRNA-Molekül an die mRNA an. Dieser Komplex aus siRNA und mRNA wird dann von der Zelle zerstört. Eine Translation der mRNA wird auf diese Weise effektiv verhindert.

Einzelheiten/

Die siRNAs sind kurze doppelsträngige RNA-Moleküle von ca. 21 Basenpaaren Länge. Hergestellt werden die siRNAs in der Eukaryotenzelle aus längeren doppelsträngigen RNA-Molekülen. Solche RNA-Moleküle sind eher schädlich für die Eukaryotenzelle und werden daher in der Regel abgebaut. Bei diesem Abbauprozess spielt das Enzym Dicer eine wichtige Rolle.

Die Rolle von Dicer

Dicer ist eine ExoRNAse, spaltet also kurze doppelstängige RNA-Fragmente von den Enden des langen RNA-Strangs ab. Diese doppelsträngigen RNA-Stücke haben eine Länge von 21 bis 28 Basenpaaren. Dicer entwindet nun den kurzen RNA-Doppelstrang und zerlegt ihn in zwei Einzelstränge, den Leitstrang und den Begleitstrang. Der Begleitstrang wird dann schnell komlett abgebaut, während der Leitstrang die nächste "Station" des Prozesses durchläuft. Dieser Leitstrang wird jetzt als siRNA bezeichnet (short interfering RNA).

RISC

Die siRNA wird nun in einen größeren Proteinkomplex eingebaut, der als RISC bezeichnet wird. RISC ist die Abkürzung für RNA-induced silencing complex.

Die wichtigste Untereinheit von RISC ist das Enzym Argonaut. Dieses Enzym besitzt drei Domänen, die als PAZ, MID und PIWI bezeichnet werden. Jede dieser drei Domänen hat eine besondere Rolle.

Die PAZ- und die MID-Domäne "fassen" die siRNA sozusagen an ihren Enden an (PAZ das 3'-Ende und MID das 5'-Ende). Das Argonaut-Protein baut dabei chemische Bindungen zum Zucker-Phosphat-Rückgrat der siRNA auf, so dass die Basen nach außen zeigen und sich mit der komplementären mRNA paaren können.

Nun kommt die Stunde der PIWI-Domäne von Argonaut. Diese PIWI-Domäne hat nämlich eine RNAse-Funktion, sie zerlegt die gebundene mRNA in kurze Bruchstücke, die dann von anderen RNAsen weiter abgebaut werden.

RNA-Interferenz, weitere Fakten

Abwehrmechanismus gegen Viren

Man geht inzwischen davon aus, dass der eben beschriebene Mechanismus (Dicer/RISC) der RNA-Interferenz in der Evolution zur Bekämpfung von eingedrungener Viren-RNA oder -DNA entstanden ist. Manche Organismen bauen Viren-DNA in ihr eigenes Genom ein, allerdings gezielt in umgedrehter Orientierung. Wenn diese reverse DNA dann transkribiert wird, entsteht eine mRNA, die komplementär zu der eigentlichen Viren-mRNA ist. Mit Hilfe von Dicer und RISC entstehen dann siRNAs, die sich an die eingedrungene Viren-DNA oder -RNA anlagern und diese unschädlich machen.

Einsatz als Werkzeug der Gentechnik

In der Gentechnik werden heute siRNAs eingesetzt, um bestimmte Gene eines Lebewesens auszuschalten. Das ist eine besonders elegante und nicht allzu aufwendige Methode.

"Medikament" in der Gentherapie

In der Gentherapie werden auch schon künstlich hergestellte siRNAs quasi als "Medikament" eingesetzt. Das Hauptproblem dabei ist das Einbringen der siRNAs in die Zielzellen. 2018 wurde das erste RNAi-Medikament von der US-amerikanischen FDA (Arzneimittelzulassungsbehörde) zugelassen. Es handelt sich um den Wirkstoff Patisiran, der gegen die hereditäre Transthyretin (TTR)-vermittelte Amyloidose eingesetzt wird, eine Erbkrankheit, die häufig zum Tod führt [2].

Auf der Wikipedia-Seite "RNAi-Therapeutikum" findet sich inzwischen eine ganze Liste von Medikamenten und Wirkstoffen auf RNAi-Basis.

Quellen und Literatur-Empfehlungen, die über allgemeines Schulbuchwissen hinausgehen:

  1. Alfred Nordheim, Rolf Knippers: Molekulare Genetik, 11. Auflage, Thieme-Verlag Stuttgart 2018.
  2. "Patisiran erhält FDA-Zulassung", Max-Planck-Gesellschaft, 23.08.2018 (kein Autor genannt).
  3. Roland Kreutzer: "Medikamente auf Basis der RNA-Interferenz" auf CHEManager, 08.02.2010.
  4. Wikipedia, Artikel "RNAi-Therapeutikum".
  5. Wikipedia, Artikel "RNA-Interferenz"
  6. "Gene zum Schweigen gebracht", ein Film der Nature Publishing Group auf YouTube (sehr empfehlenswert auch für Schüler(innen) der Oberstufe).