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Evolution der Hautfarben

Herkömmliche Theorie zur Evolution der Hautfarben

Die Entwicklung des aufrechten Ganges führte dazu, dass die Menschen sich selbst und teils auch schwere Lasten durch die heiße Steppe schleppen mussten, was sehr anstrengend war. Sie waren dauernd der Gefahr eines Hitzschlags ausgesetzt. Der Körper, vor allem aber das Gehirn musste ausreichend gekühlt werden, um dies zu verhindern. Daher hatten diejenigen Menschen einen Selektionsvorteil, die in ihrer Haut mehr Schweißdrüsen bildeten. Mehr Schweißdrüsen kann man aber nur bilden, wenn man weniger Haare auf der Haut hat. Die Folge war also, dass die Menschen im Laufe der Jahrtausende immer weniger Körperhaare besaßen, vor 3 bis 1,6 Millionen Jahren schließlich verloren sie ihr "Fell" komplett.

Die nackte Haut war aber ständig ziemlich intensiver UV-Strahlung ausgesetzt, wie sie auch heute noch in Afrika herrscht. Dringt zu viel UV-Strahlung in die Haut ein, so führt dies im einfachsten Fall zu Verbrennungen, im schlimmsten Fall aber zu irreversiblen DNA-Schäden und Hautkrebs. Daher hatten die Menschen einen Selektionsvorteil, deren Haut durch vermehrte Melaninbildung dunkler war. Das dunkle Pigment Melanin absorbierte einerseits einen großen Teil der UV-Strahlung, andererseits dient es als Radikalfänger und verhindert auf diese Weise Zellschädigungen durch UV-Licht.

So weit die herkömmliche Theorie zur Evolution der Hautfarben.

Nina G. Jablonski und George Chaplin von der der Kalifornischen Akademie der Wissenschaften in San Francisco haben nun in einem in der Zeitschrift "Spektrum der Wissenschaft" im Jahre 2003 erschienenen Artikel eine alternative Theorie aufgestellt, die ich Ihnen hier kurz vorstellen möchte [4].

Neue Theorie zur Evolution der Hautfarben von Jablonski und Chaplin

Die Grundidee der beiden Autoren war die Tatsache, dass Hautkrebs erst im mittleren Erwachsenenalter entsteht, wenn die Menschen bereits mehrere Kinder gezeugt haben. Eine dunkle Haut bringt demnach überhaupt keinen Selektionsvorteil für die Menschen. Ein Selektionsvorteil würde bestehen, wenn der Hautkrebs im Alter von 10 bis 16 Jahren auftreten würde, dann hätten Menschen mit dunkler Haut bessere Fortpflanzungschancen und somit auch mehr Nachwuchs als Menschen mit heller Haut.

Eine Tatsache, die überhaupt nichts mit Hautkrebs oder anderen UV-Schäden zu tun hat, ist die folgende: Menschen mit heller Haut haben weniger Folsäure im Blut als Menschen mit dunkler Haut. Folsäure ist ein wichtiges B-Vitamin, das vor allem in der Schwangerschaft eine wichtige Rolle spielt, aber auch beispielsweise bei der Spermienbildung beim Mann. Männer mit wenig Folsäure im Blut bilden weniger fruchtbare Spermien als Männer mit viel Folsäure im Blut, weswegen die Ärzte auch Folsäurepräparate verschreiben, wenn die Kinder wegen unfruchtbarer Spermien ausbleiben. Die Autoren zitieren hier ein interessantes Experiment: Wenn man Blutplasma für eine Stunde mit künstlichen Sonnenlicht bestrahlt, sinkt die Folsäurekonzentration im Plasma auf die Hälfte! Daran kann man gut sehen, wie schädlich UV-Licht für den Folsäuregehalt im Blut ist.

Die Schlussfolgerungen der Autoren: Dunkle Haut entstand in der Evolution als ein Schutz vor UV-Licht, aber nicht primär um Hautkrebs zu verhindern, sondern um die Folsäure-Reserven im Blut der Menschen zu schützen.

Als die Menschen aus Afrika auswanderten und sich in Asien und Europa breit machten, war der Schutz vor UV-Licht nicht mehr notwendig, da die UV-Strahlung in nördlichen Regionen geringer ist als in südlichen. Der Selektionsdruck in Richtung Pigmentbildung entfiel also.

Aber nicht nur das! UV-Licht fördert nämlich die Synthese von Vitamin D, einem sehr wichtigen Vitamin. Vitamin D ist u.a. für die Resorption (Aufnahme) von Calcium-Ionen im Darm verantwortlich. Calcium-Ionen wiederum sind wichtig für die Skelett-Entwicklung (Knochen enthalten viel Calcium) und auch für das Immunsystem.

Menschen mit dunkler Haut, die sich in nördlichen Regionen der Erde aufhalten, haben daher ein Problem mit der Vitamin-D-Versorgung. Die dunkle Haut lässt das wenige UV-Licht nicht mehr durch, und es kommt zu Vitamin-D-Unterversorgung.

Die Hautfarbe der Menschen in nördlichen Gegenden passt sich sogar dem Rhythmus der Jahreszeiten an. Im Sommer, wenn genug UV-Licht zur Verfügung steht, ist die Haut etwas dunkler als im Winter, wenn es wenig UV-Licht gibt. Ab dem 45. Breitengrad kann der Vitamin-D-Mangel, der durch zu wenig UV-Licht verursacht wird, nur noch durch Vitamin-D-Aufnahme durch bestimmte Lebensmittel kompensiert werden

Die Inuit (Eskimos) haben eine recht dunkle Haut, obwohl sie im hohen Norden leben. Der Grund hierfür: Sie essen viel Fisch und andere Tiere des Meeres, die einen hohen Vitamin-D-Gehalt haben.

Frauen sind meistens etwas heller als Männer. Woran das liegt, so die beiden Autoren des Artikels, darüber kann man nur Hypothesen aufstellen. Einmal könnte eine sexuelle Selektion eine Rolle spielen, weil Männer Frauen mit hellerer Haut bevorzugen. Zum andern könnte es daran liegen, dass Frauen während der Schwangerschaft und vor allem während des Stillens einen deutlich höheren Calciumbedarf haben als Männer, und dass sie deshalb mehr Vitamin D bilden müssen.

So weit die Ansichten von Nina G. Jablonski und George Chaplin zum Thema "Evolution der Hautfarben". Ich hoffe, dass ich den langen Artikel einigermaßen korrekt zusammengefasst habe.

Allgemeine Quellen, die über allgemeines Schulbuchwissen hinausgehen:

  1. Jochen Graw: Genetik, 7. Auflage, Springer Spektrum, Berlin 2021.
  2. Alfred Nordheim, Rolf Knippers: Molekulare Genetik, 11. Auflage, Thieme-Verlag Stuttgart 2018.
  3. Savada, Hillis, Heller, Hacker: Purves Biologie, Springer Verlag Deutschland 2019, 10. Auflage. Herausgegeben von Jürgen Markl.

Spezielle Quellen für diese Seite:

  1. "Die Evolution der Hautfarben". Spektrum der Wissenschaft 6/2003.