Helmichs Biologie-Lexikon

Fitness

Individualfitness

Unter dem Begriff "Fitness" versteht man in der Biologie die durchschnittliche Anzahl der Nachkommen, die ein Individuum im Laufe seines Lebens erzeugt - im Verhältnis zur maximal möglichen Zahl der Nachkommen.

Hier ein paar "offizielle" Definitionen:

"Die biologische (Darwin‘sche) Fitness (englisch fitness: Eignung, Tauglichkeit) bezeichnet den relativen Fortpflanzungserfolg eines Individuums (bzw. eines Genotyps), also seine Fähigkeit, fortpflanzungsfähige Nachkommen zu zeugen, und zwar gemessen am Erfolg anderer Individuen bzw. Allele (Genotypen)" [1]

"Fitness, im Sinne Darwins der Beitrag, den ein Individuum durch eigene Fortpflanzung oder Unterstützung Verwandter zum Genbestand der Folgegeneration leistet " [2]

Wenn also in einer Wolfspopulation ein Weibchen theoretisch 20 Junge in seinem Leben kommen kann, ein spezielles Tier aber nur 12 Junge bekommt, bevor es stirbt, dann beträgt seine Fitness 12/20 = 0,6 oder 60%.

Fitness hat also nichts zu tun mit dem umgangssprachlichen Gebrauch des Wortes im Sinne von "Wohlfühlen" oder "Fit oder gesund sein".

Direkte Fitness

Unter diesem Begriff versteht man den soeben erläuterten Fitness-Begriff, also die Zahl der Nachkommen eines Individuums dividiert durch die maximal mögliche Anzahl in der Art bzw. Population.

Indirekte Fitness

Hier werden die nah verwandten Individuen (Geschwister, Cousins) mit in die Berechnung einbezogen, welche die gleichen Allele besitzen wie das betrachtete Individuum. [1]

Wenn also beispielsweise ein Vogelweibchen selbst keine Eier legt, aber seiner Schwester bei der Aufzucht ihrer Nachkommen hilft, so steigert das kinderlose Vogelweibchen ebenfalls seine Fitness, weil ja die Allele, die es besitzt, auch in der Schwester vorhanden sind und dann an deren Nachkommen weitergegeben werden.

Populationsfitness

Unter diesem Begriff versteht man die durchschnittliche Fitness einer Population. Das machen wir uns mal an einem kleinen Beispiel klar. Eine Wolfspopulation soll aus sieben Tieren bestehen. Die individuellen Fitnesswerte dieser sieben Tiere sind in absteigender Reihenfolge:

0,9 - 0,7 - 0,7 - 0,6 - 0,6 - 0,5 - 0,5

Die Populationsfitness liegt dann bei 0,64.

Gen- bzw. Allelfitness

In der modernen Evolutionsbiologie wird oft nicht die Fitness von Individuen oder Populationen betrachtet, sondern die Fitness von Genotypen oder sogar von einzelnen Allelen. Die Fitness eines Allels hängt davon ab, wie gut sich das Allel in der Population im Laufe der Selektion durchsetzen kann, wie stark sich also seine Allelfrequenz im Laufe der Generationen erhöht.

Modellsystem zur Fitness von Genotypen

Angenommen, Tiere mit dem Genotyp AA haben im Schnitt 6 Nachkommen, Tiere mit dem Genotyp BB 4 Nachkommen, und Tiere mit dem Genotyp AB 7 Nachkommen.

Die Heterozygoten haben in diesem Modellsystem also einen deutlichen Fortpflanzungsvorteil gegenüber den Homozygoten. Berechnen wir nun die Fitnesswerte der drei Genotypen:

  • F(AA) = 0,86
  • F(AB) = 1,00
  • F(BB) = 0,57

Angenommen, eine Population von 100 Tieren bestehe aus 30 Vetretern des Genotyps AA, 50 Vertretern von AB und 20 Vertretern von BB. Dann kann man die Populationsfitness W wie folgt berechnen:

(30 * 0,86 + 50 * 1,00 + 20 * 0,57) / 100 = 0,90

Könnte die Population dieses Modellsystems ihre Fitness noch steigern?

Auf den ersten Blick würde man sagen: Kein Problem; es müsste noch mehr Tiere mit dem Genotyp AB geben, der ja die höchste Individualfitness hat.

Auf den zweiten Blich muss man aber die Mendelschen Regeln in Betracht ziehen. Angenommen, die gesamte Population hätte ihre Fitness gesteigert und bestände nur aus Tieren mit dem Genotyp AB. Was würde dann in der nächsten Generation passieren?

Wenn sich zwei Tiere mit dem Genotyp AB fortpflanzen, bekommen sie Nachwuchs mit den Genotypen AA (25%), AB (50%) und BB (25%). Zumindest sagt das die Statistik.

Zusammenfassung

Die Individualfitness zeigt den Fortpflanzungserfolg eines Individuums in einer Population an. Unter der Populationsfitness versteht man den Durchschnittswert aller Individualfitness-Werte. Die Fitness eines Individuums hängt von seinem Genotyp ab, und in einfachen Modellsystemen lässt sich die Populationsfitness leicht aus der Verteilung der Genotypen berechnen.

Quellen:

  1. Zrzavý, Jan; Burda, Hynek; Storch, David; Begall, Sabine; Mihulka, Stanislav. Evolution (German Edition) (S.12). Springer Berlin Heidelberg. Kindle-Version.