Helmichs Biologie-Lexikon

Genbegriff

Der Genbegriff hat im Laufe der Zeit einen ständigen Wechsel erfahren. Als man noch nichts von den molekularen Vorgängen wusste, die im Zellkern und im Cytoplasma ablaufen, stand ein Gen für ein bestimmtes Merkmal, beispielsweise für die Blütenfarbe einer Blume oder die Augenfarbe eines Menschen: Ein-Gen-ein-Merkmal-Hypothese.

Als man die DNA-Replikation, die Transkription und die Translation erforscht hatte, wandelte sich der Genbegriff, und man definierte ein Gen als einen Abschnitt auf der DNA, der für ein bestimmtes Protein zuständig ist: Ein-Gen-ein-Protein-Hypothese.

Die Sache wurde komplizierter, als man DNA-Abschnitte entdeckte, die keine Proteine codieren. Ein Großteil der menschlichen DNA hat überhaupt keine Funktion oder man weiß noch nicht, welche Funktion diese Abschnitte haben. Andere nicht-codierende DNA-Abschnitte dienen zur Regulation der Aktivität bestimmter Gene, wieder andere Abschnitte codieren für ribosomale RNAs oder Transfer-RNAs oder für kurze RNAs mit regulatorischen Funktionen. Handelt es sich bei diesen Abschnitten auch um Gene?

Nach dem aktuellen Stand der Biologie ist es so:

"Ein Gen ist ... als ein Abschnitt der DNA-Sequenz definiert, der einem einzelnen Protein oder einer Reihe alternativer Proteinvarianten entspricht oder einem einzelnen katalytischen, regulatorischen oder strukturellen RNA-Molekül." [1]

Eine nicht ganz so abstrakte Definition des Genbegriffs findet sich in dem Lexikon der Biologie des Spektrum-Verlags [2]. Danach ist ein Gen ein DNA-Abschnitt, "der bestimmte Proteinbausteine codiert oder eine bestimmte Regulationsfunktion hat." Hier wird auch erwähnt, dass Gene zusammen mit Umwelteinflüssen die Ausbildung der Merkmale eines Organismus bestimmen.

Probleme für den Genbegriff bereiten auch DNA-Abschnitte, die in beiden Richtungen abgelesen werden können. Graw kommt in seinem Genetik-Buch [3] zu folgendem (ernüchternden) Schluss:

"Dennoch hat der Begriff des Gens seine Bedeutung in der Praxis nicht verloren. Man wird den Begriff 'Gen' jedoch jeweils sehr gezielt im Kontext eines gerade zur Diskussion stehenden genetischen Systems verwenden müssen, um ihn mit konkreten molekularen Vorstellungen füllen zu können. Dazu gehört, dass man den Begriff 'Gen' in der Regel mit einer zusätzlichen Erklärung versieht, z. B. ein 'Proteincodierendes Gen'."

Aufbau eines eukaryotischen Gens

Auf dieser Lexikonseite wird der Bau eines Eukaryoten-Gens aus Exons und Introns näher erläutert. Vor allem auf die Größenrelationen wird hier eingegangen, die in vielen Schulbüchern falsch dargestellt werden.

Quellen:

  1. Alberts, Bruce et al. Molekularbiologie der Zelle, 6. Auflage, Weinheim 2017.
  2. Lexikon der Biologie, Spektrum-Verlag. Artikel "Gen".
  3. Graw, Genetik, Springer-Verlag Heidelberg New York 2021.