Helmichs Biologie-Lexikon

Hohenheimer Grundwasserversuch

Ein berühmter Versuch, der gezeigt hat, dass sich die synökologische Präferenz eines Lebewesens nicht unbedingt mit der physiologischen bzw. autökologischen Präferenz decken muss.

Biomasseproduktion in Abwesenheit von Konkurrenten

Der Versuch wurde an der Universität Hohenheim in den Jahren 1952/53 von Heinz Ellerberg mit drei Grasarten durchgeführt, und zwar Wiesenfuchsschwanz, Glatthafer und Aufrechter Trespe. Für jede Grasart wurde in speziell konstruierten Beeten die Toleranz gegenüber dem Umweltfaktor Bodenfeuchtigkeit untersucht. Wie es sich zeigte, bevorzugen alle drei Grasarten mittelfeuchten Boden, wenn sie ohne Konkurrenz durch andere Pflanzen wachsen können. Diese Präferenz in Abwesenheit von interspezifischer Konkurrenz bezeichnet man dann als autökologische Präferenz oder physiologische Präferenz.

Genauere Ergebnisse:

Der Wiesenfuchsschwanz und die Aufrechte Trespe gedeihen am besten bei einer Grundwassertiefe von 35 cm, der Glatthafer bei 12 - 30 cm.

Biomasseproduktion in Anwesenheit von Konkurrenten

Pflanzt man die drei Grasarten jedoch zusammen auf einem gemeinsamen Beet in einer Mischsaat, so zeigen sich unterschiedliche Präferenzen hinsichtlich der Bodenfeuchtigkeit. Der Wiesenfuchsschwanz wächst im feuchten Bereich des schrägen Bodens sehr gut. In den anderen Bereichen ist er kaum anzutreffen. Die Aufrechte Trespe wächst im trockenen Bereich des Beetes sehr gut, sie ist in den feuchten und mittelfeuchten Gebieten kaum anzutreffen. Hier findet man vor allem den Glatthafer. Der Glatthafer wiederum wächst in den feuchten und trockenen Stellen nur recht schwach.

Genauere Ergebnisse:

Unter Konkurrenzbedingungen zeigt der Wiesenfuchsschwanz eine maximale Biomasseproduktion bei einer Grundwassertiefe von nur 5 cm. Der Glatthafer "bevorzugt" eine Grundwassertiefe von 65 cm, und die Aufrechte Trespe sogar 80 cm.

Von "Bevorzugen" kann natürlich nicht die Rede sein, das sieht man ja bei den Versuchen in Abwesenheit von Konkurrenten. Es ist allerdings so, dass beispielsweise die Aufrechte Trespe von allen drei Gräsern am besten mit niedrigen Grundwasserständen / mit Trockenheit fertig werden kann. Auf feuchtem Boden ist die Aufrechte Trespe dem Glatthafer unterlegen, sie ist konkurrenzschwächer. Auf nassem Boden kann sie noch weniger gedeihen, also bleibt ihr im Grunde nichts anderes übrig, als auf trockenem Boden zu wachsen, weil es hier keine Konkurrenz gibt. Diese "Präferenz" des trockenen Bodens ist das Ergebis einer gerichteten Selektion. Die Exemplare der Aufrechten Trespe, die gut mit Trockenheit zurecht kamen, hatten mehr Nachkommen als die Individuen, die nicht so gut an die trockene Umgebung angepasst waren.

Quelle: Küster, Das ist Ökologie, München 2005.

(Syn)ökologische Präferenz

Diese Präferenz in Anwesenheit von interspezifischer Konkurrenz bezeichnet man als synökologische Präferenz oder manchmal auch einfach als ökologische Präferenz.

Die Grunderkenntnis des Hohenheimer Grundwasserversuchs ist folgende:

Eine konkurrenzstarke Art (hier der Glatthafer) kann unter Konkurrenzbedingungen ihre autökologische bzw. physiologische Präferenz beibehalten. Konkurrenzschwache Arten dagegen (hier Wiesenfuchsschwanz und Aufrechte Trespe) müssen unter Konkurrenzbedingungen in einen der beiden Randbereiche ihrer physiologischen Präferenz ausweichen.

Man kann hier durchaus Parallelen zum Konkurrenzausschluss-Prinzip sehen: Zwei Arten mit den gleichen (aut)ökologischen Ansprüchen (ökologische Nische) können nicht koexistieren. Die konkurrenzschwächere Art stirbt entweder aus oder sie betreibt Konkurrenzvermeidung durch Aufsuchen einer anderen ökologischen Nische (bei den Grasarten durch Ausweichen in einen nicht-optimalen Bereich).