Helmichs Chemie-Lexikon

Polymerisation, anionisch

Die anionische Polymerisation ist ein Polymerisations-Mechanismus, bei dem keine radikalischen Starter verwendet werden, sondern Anionen. Ein Problem bei der anionischen Polymerisation von Alkenen oder Alken-Derivaten ist die elektronenreiche C=C-Doppelbindung, welche die Addition eines negativen Anions selbstverständlich erschwert. Daher können nur bestimmte Alken-Derivate für die anionische Polymerisation eingesetzt werden. Gut geeignet sind Alken-Derivate, bei denen die Elektronendichte an der C=C-Doppelbindung durch Substituenten mit starkem -I-Effekt verringert wird. Ein bekanntes Beispiel für ein solches Alken-Derivat ist die Methacrylsäure, genauer gesagt, das Nitril der Methacrylsäure.

Synthese der Methacrylsäure während der Plexiglas-Herstellung

Auf diesem Bild sehen wir einen Ausschnitt aus der Reaktionskette der Plexiglasherstellung.

Synthese der Methacrylsäure während der Plexiglas-Herstellung

Der nächste Schritt in der Synthese von Plexiglas ist die Bildung des Methacrylsäuremethylesters. Diese Verbindung ist das Monomer von Plexiglas.

Eine verwandte Verbindung ist der Cyan-Acrylsäuremethylester, den das folgende Bild zeigt:

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Mesomerie beim Cyan-Acrylsäuremethylester; Addition eines Anions, Bildung eines mesomeriestabilisierten Anions.

Der Cyan-Acrylsäuremethylester hat mehrere Grenzstrukturen, die dazu führen, dass das C-Atom links oben im Molekül positiv polarisiert ist und somit leicht ein Anion anlagern kann. Im Bild ist die Addition einer Hydroxygruppe zu sehen. Das Reaktionsprodukt hat ebenfalls mehrere Grenzstrukturen, die hier nicht einzeln dargestellt sind (dazu siehe zum Beispiel die Seite "Anionische Polymerisation" auf Abiweb.de, auf der das Ganze sehr schön dargestellt ist.

Um jetzt den ersten Polymerisationsschritt darzustellen, müssen wir das Molekül des Monomers etwas drehen:

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Das Startmolekül vereinigt sich mit einem Monomer

Das in der Abbildung 3 dargestellte große Anion lagert sich nun als Elektrophil an das positiv polarisierte C-Atom der C=C-Doppelbindung eines zweiten Monomers an. Es entsteht ein noch größeres Anion, das sich wieder als Elektrophil an ein drittes Monomer addieren kann.

asdf

Das Polymerisat nach vielen Reaktionsschritten

Nach weiteren Additionen sieht das Polymerisat so aus, wie auf der obigen Abbildung gezeigt. Die Anzahl der Monomere (n+2) kann dabei durchaus in Größenordnungen von 1000, 2000 oder sogar 5000 liegen.

Eine Abbruchreaktion, wie wir sie von den radikalischen Reaktionen kennen, findet hier nicht statt; das Endprodukt ist immer noch ein Anion. Solche Polymere bezeichnet man dann als "lebende Polymere", weil sie noch ein messbares Reaktionsvermögen besitzen.

Das Endprodukt der auf dieser Seite vorgestellten anionischen Polymerisation von Cyan-Acrylsäuremethylester haben Sie bestimmt schon einmal benutzt oder gesehen, es handelt sich nämlich um einen Sekundenkleber.