Helmichs Biologie-Lexikon

Gliazellen

Das Gehirn des Menschen enthält 80 bis 100 Milliarden Nervenzellen und fast die gleiche Anzahl Gliazellen. Früher dachte man, die Gliazellen hätten lediglich eine Hilfsfunktion für die Nervenzellen, beispielsweise zur Versorgung mit Nährstoffen wie Glucose oder zur Isolierung der Axone (Schwannsche Zellen gehören zu den Gliazellen). Rudolf Virchow (1821-1902), der die Gliazellen 1856 entdeckte, hielt sie für eine Art Bindegewebe. Daher kommt auch der Begriff "Gliazelle", denn "glia" ist das griechische Wort für Leim.

Heute weiß man, dass Gliazellen nicht nur eine "Leimfunktion" für die Nervenzelle haben, sondern auch bei der Informationsverarbeitung im Gehirn eine wichtige Rolle spielen. Sie können Neurotransmitter aufnehmen und sogar eigene Neurotransmitter abgeben, die dann von den Nervenzellen verstanden werden. Auch können Sie beim Wachstum von neuen Axonen und Synapsen helfen [1].

Es gibt insgesamt vier Typen von Gliazellen:

  1. die Astrocyten
  2. die Oligodendriten / Schwannschen Zellen
  3. die Ependymzellen und schließlich
  4. die Mikroglia.

Die beiden ersten Gruppen werden auch als Makroglia zusammengefasst, weil es sich um recht große Zellen handelt.

1. Astrocyten

80% der Gliazellen sind Astrocyten. Das sind sternförmig aussehende Zellen mit langen Ausläufern, die auf den ersten Blick mit Nervenzellen verwechselt werden können. Mit ihren langen Ausläufern umhüllen die Astrocyten Synapsen zwischen Nervenzellen des Gehirns.

Astrocyten

Einzelheiten siehe hier...

2A. Oligodendrocyten

Diese Gliazellen bilden Myelin und umhüllen die Axone von Nervenzellen im zentralen Nervensystem (ZNS). Ein Oligodendrocyt kann dabei mit seinen Ausläufern mehrere Nervenzelle gleichzeitig umhüllen, wie das folgende Bild zeigt:

Oligodendrocyten

Zu sehen sind hier vier verschiedene Oligodendrocyten, dargestellt in unterschiedlichen Farben: Grün, Blau, Violett und Orange. Die Axone der Nervenzellen sind gelb gezeichnet. Man kann gut sehen, wie beispielsweise der grüne Oligodendrocyt gleichzeitig zwei verschiedene Axone "umwickelt", ebenso wie der blau gezeichnete Oligodendrocyt.

Oligodendrocyten

Einzelheiten siehe hier...

2b. Schwannsche Zellen

Eine ähniche Aufgabe wie die Oligodendrocyten erfüllen die Schwannschen Zellen, die ebenfalls zu den Gliazellen gehöhren. Schwannsche Zellen kommen im sogenannten peripheren Nervensytem vor, also außerhalb von Gehirn und Rückenmark. Sie sind ähnlich aufgebaut wie Oligodendrocyten, umhüllen mit ihren Ausläufern die Axone von Nervenzelle aber noch sehr viel intensiver als die Oligodendrocyten dies tun. Periphere Axone sind von einer dichten und gut isolierenden Markscheide eingehüllt, die von mehreren Schwannschen Zellen gebildet wird, die hintereinander auf dem selben Axon sitzen. Diese Myelinscheide isoliert das Axon nicht nur elektrisch (ähnlich wie die Isolierung eines Kupferkabels), sondern erhöht außerdem noch die Geschwindigkeit der Erregungsweiterleitung beachtlich (siehe saltatorische Erregungsleitung).

Hier sehen wie acht Schwannsche Zellen, die sich um ein Axon gewickelt haben.

Dieses Bild zeigt einen stark vergrößerten Querschnitt durch ein Axon, um das sich eine Schwannsche Zelle gewickelt hat.

Schädigungen der Oligodendrocyten bzw. Schwannschen Zellen können ernsthafte gesundheitliche Folgen für den betroffenen Menschen haben; die Multiple Sklerose ist wohl die bekannteste Krankheit, die auf demyelinisierte Axone zurückzuführen ist.

3. Ependymzellen

Die kleinen Zellen kleiden die Vesikel im Innern des Gehirns aus, die mit Flüssigkeit gefüllt sind.

4. Mikrogliazellen

Diese sehr kleinen Gliazellen bilden das Immunsystem des Gehirns. Sie werden vor allem dann aktiv, wenn das Gehirn von Krankheitskeimen oder schädlichen Stoffen angegriffen wird. Die Mikrogliazellen werden dann größer und nehmen wie Phagocyten die Keime oder die schädlichen Stoffe in sich auf. Antigene von Viren oder Bakterien werden auf der Oberfläche der Mikrogliazellen präsentiert und locken T-Lymophozyten des Immunsystems an, die dann weitere Abwehrmaßnahmen einleiten.

Auch bei der Umgestaltung der synaptischen Verschaltungen im Gehirn scheinen Mikrogliazellen eine wichtige Rolle zu spielen [1].

Quellen und empfohlene Literatur:

Schulbücher für die gymnasiale Oberstufe (hier nicht weiter aufgelistet)

Allgemeine Fachliteratur

  • Alberts, Bruce et al. Molekularbiologie der Zelle, 6. Auflage, Weinheim 2017.
  • Urry, Cain, Wassermann, Minorsky, Reece. Campbell Biologie, Hallbergmoos 2019, 11.Auflage.
  • Nelson, Cox: LEHNINGER Principles of Biochemistry. Macmillan Learning, New York 2021.
  • Plattner, Hentschel. Zellbiologie, 5. Auflage. Stuttgart 2017.
  • Berg, Tymoczko, Gatto jr., Stryer: Stryer Biochemie, 8. Auflage, Springer Berlin Heidelberg 2018.

Fachliteratur zur Neurobiologie

  1. Bear, Connors, Paradiso: Neurowissenschaften, Springer-Verlag 2018
  2. Dudel, Menzel, Schmidt: Neurowissenschaft, Heidelberg 2001.
  3. Schmidt, Schaible, Neuro- und Sinnesphysiologie, Heidelberg 2006
  4. Shepherd: Neurobiologie, Berlin Heidelberg 1993.
  5. Kandel, Schwartz, Jessel, Siegelbaum, Hudspeth, Principles of Neural Science, Fifth Edition. McGraw-Hill Education 2013.