Helmichs Biologie-Lexikon

Nernst-Gleichung / Goldmann-Gleichung

Die von Walther Nernst aufgestellte Gleichung kommt ursprünglich aus der Elektrochemie; mit ihr kann man die konzentrationsabhängige Spannung berechnen, die zwischen zwei galvanischen Halbzellen besteht. Leute, die mit den Grundlagen der Elektrochemie vertraut sind, können den folgenden Exkurs überspringen und gleich zur Berechnung des Membranpotenzials springen.

Exkurs in die Elektrochemie

Eine Halbzelle besteht aus einer Elektrode, zum Beispiel Zink, und einem Elektrolyten, also einer salzhaltigen, elektrisch leitenden Lösung, die zur Elektrode passen muss. Für die Zink-Elektrode würde sich zum Beispiel eine Lösung von Zinkchlorid anbieten, für eine Kupfer-Elektrode eine Lösung aus Kupfersulfat.

Eine Standard-Halbzelle ist eine Halbzelle, bei der die Konzentration des Elektrolyten genau 1 mol/l beträgt.

Ein galvanisches Element erhält man, wenn man zwei Halbzellen miteinander verbindet. Verbindet man beispielsweise eine Zink-Halbzelle mit einer Kupferhalbzelle, kann man eine elektrische Spannung messen. Die Höhe dieser Spannung berechnet sich aus den Standard-Redoxpotenzialen der Halbzellen. Diese Redoxpotenziale kann man in Tabellen nachschauen. Für die Standard-Zinkhalbzelle beträgt das Redoxpotenzial -0,76 Volt, für die Standard-Kupferhalbzelle +0,35 Volt. Ein galvanisches Element, das aus zwei solchen Standard-Halbzellen besteht, liefert dann eine Spannung von 1,11 Volt. Das ist genau die Differenz zwischen den beiden Standard-Redoxpotenzialen von Zink und Kupfer.

Weitere Informationen zu Halbzellen und Galvanischen Elementen finden Sie auf meinen Chemieseiten unter "Die Spannungsreihe der Metalle".

Nun ist es oft aber so, dass bei einer Batterie oder einem Akkumulator oder bei anderen elektrochemischen Vorgängen keine Standard-Halbzellen mit 1-molaren Salzlösungen vorliegen. Meistens haben die Elektrolyten andere Konzentrationen, beispielsweise C(ZnSO4) = 0,35 mol/l und c(CuSO4) = 1,22 mol/l. Wie kann man nun die Spannung berechnen, die zwischen diesen beiden Halbzellen besteht? Dazu verwendet man folgende Gleichung, die nach Walther Nernst benannt wurde.

$U_{H} = U_{H}^{ \ 0} + \frac{0,059V}{z} * lg\frac{c(Me^{z+})}{mol/l}$

Dabei ist $U_{H}^{ \ 0} $ das Standard-Redoxpotenzial der Halbzelle, 0,059 V ist eine Konstante, z ist die Zahl der Elektronen, die von dem Metall-Ionen aufgenommen werden kann (bei Kupfer oder Zink ist z = 2, bei Silber 1, bei Aluminium 3 und so weiter), und $c(Me^{z+})$ ist die Konzentration des Elektrolyten.

Spielen wir das einmal für die Kupferhalbzelle mit c(CuSO4) = 1,22 mol durch. Das Standard-Redoxpotenzial für die Kupferzelle ist +0,35 Volt.

$U_{H} = 0,35 V + \frac{0,059V}{2} * lg\frac{1,22 \ mol/l}{mol/l}$

$U_{H} = 0,35 V + \frac{0,059V}{2} * 0,086$

$U_{H} = 0,35 V + 0,0025 V= 0,3525 V$

Das Redoxpotenzial dieser Kupferhalbzelle ist also etwas größer (positiver) als das der Standard-Kupferhalbzelle. Das liegt daran, dass in Kupfer-Zink-Element das Kupfer die Rolle des Elektronen-Akzeptors spielt, also Elektronen aufnimmt:

$Cu^{2+}_{(aq)} + 2 e^{-} \to Cu_{(s)}$

Je höher die Konzentration der Kupfersulfat-Lösung, desto größer die Wahrscheinlichkeit, dass die überschüssigen Elektronen der Kupfer-Elektrode von Kupfer-Ionen aufgenommen werden können.

Damit ist unser kleiner chemischer Exkurs beendet, und wir kommen nun zum eigentlichen Thema dieses Artikels, nämlich der Nernst-Gleichung, wie sie für die Berechnung des Membranpotenzials einer Nervenzelle wichtig ist.

Berechnung des Membranpotenzials

Gleichgewichtspotenzial

Auf dieser Seite wird erklärt, wie man mit Hilfe einer vereinfachten Nernst-Gleichung die Gleichgewichtspotenziale der Na+- und K+-Ionen an einer Nervenzelle berechnet. Sollten Ihnen diese Begriffe nicht vertraut sein, müssten Sie auf jeden Fall zunächst diese Seite lesen und verarbeiten, weil Sie sonst nämlich echte Probleme hätten, den folgenden Text zu verstehen.

Aus dem Oberstufen-Unterricht wissen Sie, dass sich das Membranpotenzial einer Zelle vor allem aus dem K+- und dem Na+-Gleichgewichtspotenzial zusammensetzt. Wie diese beiden Potenziale entstehen, wird auf den Seiten zur Neurobiologie erklärt, und wie man die beiden Gleichgewichtspotenziale berechnet, wird auf der oben genannten Seite "Gleichgewichtspotenzial" erklärt. Wir fassen hier aber noch einmal kurz zusammen.

Das K+-Gleichgewichtspotenzial

$E_{K} = -\frac{R*T}{F} * \ log(\frac{K^{+}_{innen}}{K^{+}_{außen}})$

Bei einer Temperatur von 37 ºC, wie sie beispielsweise in menschlichen Zellen herrscht, vereinfacht sich der Ausdruck zu

$E_{K} = -61mV \ * \ log(\frac{K^{+}_{innen}}{K^{+}_{außen}})$

Setzen wir nun die konkreten K+-Konzentrationen ein, erhalten wir:

$E_{K} = -61mV \ * \ log(\frac{155\ mol/l}{4 \ mol/l}) = -96,88 mV$

Dieser Wert wäre auch das Ruhepotenzial der menschlichen Nervenzelle, wenn das Ruhepotenzial ausschließlich von dem K+-Gradienten abhängen würde, was aber nicht der Fall ist, denn auch die Na+-Ionen und die Cl--Ionen spielen dabei eine Rolle.

Das Na+-Gleichgewichtspotenzial

Das Natrium-Gleichgewichtspotenzial für T = 37 ºC berechnet sich ähnlich wie das Kalium-Gleichgewichtspotenzial:

$E_{K} = -61mV \ * \ log(\frac{Na^{+}_{innen}}{Na^{+}_{außen}})$

Mit den konkreten Werten erhalten wir

$E_{K} = -61mV \ * \ log(\frac{12 \ mol/l}{145 \ mol/l}) = + 67,1 mV$

In das tatsächliche Ruhepotenzial einer Nervenzelle (-60 bis -90 mV) fließt also zu einem gewissen Anteil auch das Na+-Gleichgewichtspotenzial mit ein.

Das Cl--Gleichgewichtspotenzial

Das Chlorid-Gleichgewichtspotenzial einer Nervenzelle kann man ebenfalls nach dieser einfachen Nernst-Gleichung berechnen.

$E_{K} = -61mV \ * \ log(\frac{Cl^{-}_{innen}}{Cl^{-}_{außen}})$

Mit den konkreten Werten erhalten wir

$E_{K} = -61mV \ * \ log(\frac{4 \ mol/l}{120 \ mol/l}) = - 90,1 mV$

Das ist dann das Chlorid-Gleichgewichtspotenzial.

Auf gleiche Weise kann man auch den Einfluss der Calcium-Ionen (+125 bis +310 mV), der Hydrogencarbonat-Ionen (-27 mV) und der Protonen (-24 mV) berechnen. All diese Gleichgewichtspotenziale bestimmen letzten Endes das Ruhepotenzial einer Zelle.

Der Einfluss der Membranpermeabilitäten

Einen entscheidenden Einfluss auf das Membranpotenzial spielen die Permeabilitäten der Membran für die verschiedenen Ionensorten.

Permeabilitäten

Auf dieser Seite finden Sie weitere Informationen zur Membranpermeabilität.

Setzt man die Permeabilität für Kalium-Ionen auf den willkürlichen Wert 1, so haben Chlorid-Ionen eine relative Permeabilität von 0,45 und Natrium-Ionen eine relative Permeabilität von 0,04 - zumindest sind das die Werte, die man in der Literatur am häufigsten findet.

Berücksichtigt man diese Werte, dann kommt man zu der Goldmann-Gleichung, mit der man das Membranpotenzial in Abhängigkeit von den drei genannten Ionensorten berechnen kann.

Goldmann-Gleichung

$E_{Membran} = \frac{R\cdot T}{F} \cdot \ log(\frac{P_{K}\cdot K^{+}_{a} + P_{Na}\cdot Na^{+}_{a} + P_{Cl}\cdot Cl^{-}_{i}} {P_{K}\cdot K^{+}_{i} + P_{Na}\cdot Na^{+}_{i} + P_{Cl}\cdotp Cl^{-}_{a}})$

Setzt man nun die Werte für die Ionenpermeabilitäten ein, erhält man

$E_{Membran} = \frac{R\cdot T}{F} \cdot \ log(\frac{1\cdot K^{+}_{a} + 0,04\cdot Na^{+}_{a} + 0,45\cdot Cl^{-}_{i}} {1\cdot K^{+}_{i} + 0,04\cdot Na^{+}_{i} + 0,45\cdotp Cl^{-}_{a}})$

Nun setzen wir die Werte für die Konzentrationen der Ionen ein, und zwar die gleichen Werte, die wir auch weiter oben verwendet haben. Natürlich sind diese Werte bei jedem Zelltyp und bei jedem Organismus anders, aber das soll uns jetzt einmal egal sein, hier geht es ja nur um das Grundprinzip.

$E_{Membran} = \frac{R\cdot T}{F} \cdot \ log(\frac{1\cdot 4 \ + \ 0,04\cdot 145 \ + \ 0,45\cdot 4} {1\cdot 155 \ + \ 0,04\cdot 12 \ + \ 0,45\cdotp 120})$

Jetzt greifen wir zum Taschenrechner und rechnen das alles einmal aus:

$E_{Membran} = \frac{R\cdot T}{F} \cdot \ log(\frac{11,6}{209,48}) = 61 mV \cdot -1,257 = -76,658 mV$

Dieser theoretische Wert stimmt ziemlich gut mit dem gemessenen Wert des Säugetier-Membranpotenzials im Ruhezustand überein.

Quellen:

  1. Schmidt: Grundriß der Neurophysiologie, Berlin Heidelberg 1987
  2. Dudel, Menzel, Schmidt: Neurowissenschaft, Heidelberg 2001.
  3. Lexikon der Biologie, Spektrum-Verlag 1999, Stichwort "Membranpotenzial".
  4. Skript zur Vorlesung Biophysik (WS 03/04) der Uni München
  5. Shepherd: Neurobiologie, Berlin Heidelberg 1993.