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Flagellata

Systematik nach Kaestner 1980

Schauen wir einmal in das über 40 Jahre alte Buch von A. Kaestner [1]. Hier werden die Flagellata in folgende Ordnungen unterteilt:

  1. Chrysomonadina, kleine Flagellaten mit gelbbraunen Plastiden, das Chlorophyll a (b fehlt) wird durch Carotinoide überdeckt. Diese Einzeller werden heute nicht mehr zu den Protozoen gezählt. In der aktuellen Literatur und im Internet findet man so gut wie nichts über diese ehemalige Ordnung.

  2. Silicoflagellata, nur eine Geißel, leben ausschließlich im Meer und haben ein intrazelluläres Skelett aus Kieselsäure. Heute bezeichnet man diese Gruppe als Dictyochaceae, die Organismen werden dem Phytoplankton zugerechnet.

  3. Haptomonadina, zwei gleich lange Geißeln und ein langer geißelähnlicher Faden, der aber anders aufgebaut ist und der Festheftung an Substrate dient. Heute werden diese Organismen als Haptophyceae oder Kalkalgen bezeichnet und haben den Rang einer Klasse [2].

  4. Cryptomonadina, ein oder zwei Geißeln, Chloroplasten mit Chl. a und c, die durch Carotinoide und Phycobiline überdeckt werden. Heute werden diese Organismen als Cryptophyceae bezeichnet und haben den Rang einer Klasse [3].

  5. Euglenoidina, eine recht lange und eine sehr kurze Geißel, zahlreiche Chloroplasten mit Chl. a und b (wie bei den höheren Pflanzen). Viele E. ernähren sich aber hauptsächlich heterotroph, daher wird Euglena, das "Augentierchen", im Schulunterricht der Sek. I gern als Zwischenform zwischen Pflanzen und Tieren dargestellt. Heute werden diese Organismen als Euglenophyceae bezeichnet und haben den Rang einer Klasse [4].

  6. Chloromonadina, zwei Geißeln, eine nach vorn, eine nach hinten gerichtet. Viele Chloroplasten mit Chl. a. Heute werden diese Protozoen als Chloromonadophyceae oder Raphidophyceae bezeichnet und haben keinen Rang [5].

  7. Dinoflagellata, eine Längs- und eine Quergeißel, zahlreiche Chloroplasten mit Chl. a und c. Eine wichtige Gruppe des Phytoplanktons, weltweit über 2.400 Arten, viele mit einem direkt unter der Zellmembran liegenden Innenskelett aus Cellulose. Einzelheiten siehe "Dinoflagellaten" in der Wikipedia.

  8. Phytomonadina (Volvocales), besitzen einen grünen Plastiden und zwei, vier, selten auch acht Geißeln, die gleich lang sind. Heute werden diese Organismen als Chlamydomonadales bezeichnet und haben - immer noch - den Rang einer Ordnung. Diese Ordnung gehört dann der Klasse Chlorophyceae und der Abteilung Chlorophyta an.

  9. Prasinomonadina (Prasinophyceae). Hierzu gehören einige Gattungen, die vorher zu den Phytomonadina gezählt wurden. Im Gegensatz zu diesen sind die Geißeln der Prasinomonadina mit kleinen Schuppen bedeckt. Heute bezeichnet man dieses Taxon (ohne Rang) als Prasinophytae und ordnet es in die Abteilung der Chlorophyta ein.

Diese ersten neun Ordnungen werden heute zu den Algen gerechnet, man könnte sie als Phytoflagellaten bezeichnen.

  1. Protomonadina, eine, zwei, selten drei oder vier Geißeln. Zu dieser Ordnung gehören viele kleine heterotrophe Flagellaten. Kaestner schreibt, dass die systematischen Beziehungen noch nicht geklärt sind. Im Spektrum-Lexikon der Biologie [6] von 1999 finden wir, dass diese Gruppe kein Monophylum ist, sondern "eine Zusammenfassung aller farblosen Geißeltierchen mit nur 1 oder 2 Geißeln (selten mehr), die sich nicht direkt von Phytoflagellaten durch Plastidenverlust ableiten lassen.". Sowohl Kaestner wie auch das Spektrum-Lexikon unterscheiden zwei Unterordnungen, nämlich die Choanoflagellata (Kragenflagellaten) und die Kinetoplastida. Zu den Kinetoplastida gehören auch die Tryponosomidae, die beim Menschen gefährliche Krankheiten hervorrufen, zum Beispiel die Schlafkrankheit.

  2. Diplomonadina sind "Doppelindividuen" mit einer bilateralen Symmetrie. Zwei Zellkerne und zwei Gruppen von Geißeln mit je vier einzelnen Geißeln.

  3. Polymastigina, vier oder mehr Geißeln und charakteristischen Organellen (Axostyl, Parabasalkörper). Die meisten Arten leben als Kommensalen oder Symbionten im Darm von Schaben und Termiten [7]. Termiten ernähren sich vor allem von Holz, können selbst aber keine Cellulose verdauen. Die im Darm lebenden Symbionten nehmen kleinste Holzstückchen durch Phagocytose auf und verdauen die Cellulose. Dafür scheiden sie dann wertvolle Kohlenhydrate (vor allem Glucose) in den Darm ihres Wirtes aus, die dieser dann nutzen kann. Wenn man die Flagellaten künstlich entfernt, gehen die Wirte nach kurzer Zeit zugrunde [1].
    Kaestner unterscheidet vier Unterordnungen, nämlich die Pyrsonymphida, die Trichomonadida, die Calonymphida und die Hypermastigida.

  4. Opalinina besitzen keine Geißeln, sondern ein die ganze Zelle bedeckendes Wimpernkleid, daher wurden sie lange Zeit den Ciliaten zugerechnet. Im Gegensatz zu den Ciliaten besitzen sie zwei oder mehrere gleiche Zellkerne (Ciliaten haben meistens zwei unterschiedliche Kerne, einen großen Makronucleus und einen kleinen Mikronucleus), und ihre geschlechtliche Fortpflanzung entspricht auch eher dem Flagellatentypus. O. leben als Parasiten vor allem im Darm von Amphibien [8].

Das Interessante an der Recherche, die der Erstellung dieser Seite vorausging, ist die Tatsache, dass man im Internet so gut wie nichts findet, wenn man die einzelnen "Ordnungen" von Kaestner recherchiert. In der Wikipedia findet man nur selten eine Übereinstimmung, sehr viel häufiger jedoch im Spektrum-Lexikon der Biologie. Allerdings hat dieses im Internet frei verfügbare Lexikon auch schon einige Jahre "auf dem Buckel", es ist von 1999. In den 20 Jahren, die zwischen dem Erscheinen des Lehrbuchs von Kaestner und dem Spektrum-Lexikon liegen, hat sich offensichtlich nicht besonders viel in der zoologischen Systematik getan; einige Artikel aus dem Spektrum-Lexikon stimmen fast wörtlich mit den Ausführungen im Kaestner überein, sind aber an vielen Stellen auch deutlich spezieller und aktueller.

Quellen:

  1. Kaestner, Lehrbuch der Speziellen Zoologie, Band I, 1. Teil, Stuttgart 1980.
  2. Spektrum Lexikon der Biologie, Artikel "Haptophyceae"
  3. Spektrum Lexikon der Biologie, Artikel "Cryptophyceae"
  4. Spektrum Lexikon der Biologie, Artikel "Euglenophyceae"
  5. Wikipedia, Artikel "Raphidophyceae"
  6. Spektrum Lexikon der Biologie, Artikel "Protomonadina"
  7. Spektrum Lexikon der Biologie, Artikel "Polymastigina"
  8. Spektrum Lexikon der Biologie, Artikel "Opalinina"