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Zooflagellata

Zooflagellata - Rhizopoda - Sporozoa - Ciliata

Äußere Systematik

Die Gruppe der Zooflagellata existiert nicht mehr in der modernen Systematik.

In älteren Zoologie-Lehrbüchern werden die Zooflagallata noch als eigene Klasse der Protozoa geführt, aber molekulargenetische Untersuchungen haben ergeben, dass es sich um eine polyphyletische Gruppe handelt. Das heißt, die einzelnen Klassen der Zooflagellata haben keinen gemeinsamen Vorfahren, sondern entspringen unterschiedlichen Zweigen des Systems der Eukaryoten. Heute verwendet man den Begriff "Flagellat" nur noch für die Bezeichnung einer speziellen Organisationsform [2].

Auch das Buch von Storch und Welsch [1] hat zwar ein eigenes Kapitel "Zooflagellata", die Autoren schreiben aber auch hier, dass es sich nicht um eine systematische Einheit handelt, sondern mehr um eine Organisationsform.

Storch und Welsch definieren die Gruppe der Zooflagellata folgendermaßen:

"Mit einer oder mehreren Flagellen (Geißeln) ausgestattete Formen in Salz- und Süßwasser, Boden, Pflanzen und Tieren."

Der Kükenthal [3] ist da schon etwas genauer:

"Die Flagellaten sind eine polyphyletisch entstandene Organisationsform, die sich sowohl unter Protozoen als auch bei Pflanzen findet. Sie besitzen eine, mehrere oder auch viele Geißeln, mit denen sie sich fortbewegen und auch Nahrung herantransportieren."

Als "Pflanzen" bezeichnet man heute eigentlich nur die Grünalgen und die daraus hervorgegangenen Moose, Farne und Samenpflanzen, insofern ist der Kükenthal nicht ganz korrekt. Klar ist aber, dass es sowohl photoautotrophe wie auch heterotrophe Flagellaten gibt, die man als Phytoflagellaten bzw. Zooflagellaten bezeichnen kann. Nicht in das Pflanzen- oder Tierreich einordnen kann man Flagellaten wie Euglena, das Augentierchen, das sich mixotroph ernährt, also sowohl photoautotroph wie auch heterotroph.

Zuletzt noch ein Blick in das altehrwürdige Lehrbuch von Kaestner, Spezielle Zoologie von 1980 [4], mit dem Generationen von Studierenden groß geworden sind:

"Die Flagellata oder Geißeltierchen besitzen als Bewegungsorganelle eine oder mehrere Geißeln, welche die für die Geißeln aller Eukaryota charakteristische Ultrastruktur zeigen. Manche Flagellata können unter bestimmten Bedingungen in einen geißellosen Zustand ... übergehen oder unbegeißelte Entwicklungsstadien durchlaufen."

Innere Systematik

Eine innere Systematik der Flagellata gibt es nicht, da es sich um eine polyphyletische Gruppe von Organismen handelt, die lediglich den Besitz von einer oder mehreren Geißeln gemeinsam haben. Man kann lediglich auflisten, welche "Ordnungen" oder andere Taxa zu dieser Organisationsform gezählt werden.

In der Wikipedia werden folgende Gruppen von Organismen als zu den Zooflagellata gehörig aufgelistet:

Die letzte Gruppe wird inzwischen den Amoebozoa zugeordnet.

Wenn man sich mal den Tree of Life anschaut, in großes Internet-Projekt, dann wird man feststellen, dass die Wikipedia hier doch sehr oberflächlich ist. Wie ich auf der Spezialseite "Systematik nach dem Tree of Life" näher ausführte, gibt es mindestens acht verschiedene Taxa, in denen Flagellaten vorkommen. Aber bleiben wir bei der Wikipedia und schauen uns die vier genannten Gruppen von Protozoen mal etwas näher an.

Kragenflagellaten

Die Choanoflagellata oder Kragengeißeltierchen werden heute als Schwestergruppe der Metazoa, der mehrzelligen Tiere angesehen. Die Kragengeißelzellen der Schwämme haben eine starke Ähnlichkeit mit diesen Flagellaten, daher nehmen einige Biologen an, dass die Schwämme (Porifera) die ursprünglichste Form der vielzelligen Tiere sind, die aus den Kragengeißelzellen hervorgegangen sind.

Die Kragenflagellaten umfassen zwei Ordnungen mit über 125 Arten [5]:

  1. Craspedida mit 15 Gattungen
  2. Acanthoecida mit 31 Gattungen

Eine Kolonie von Choanoflagellaten
Autor: Iliá Méchnikov 1886, Lizenz: Public domain

Trypanosomen

Zu dieser Gruppe von Flagellaten gehören so "berüchtigte" Protozoen wie Trypanosoma brucei, der Krankheitserreger der afrikanischen Schlafkrankheit oder Trypanosoma cruzi, der Erreger der Chagas-Krankheit.

Die Trypanosomen leben fast ausschließlich parasitisch im Blut von Wirbeltieren und werden meistens von Insekten übertragen (Mücken, Flöhe, Wanzen, Fliegen), bei Fischen und Amphibien erfolgt die Übertragung häufig durch Egel [6]. Dank ihrer (einzigen) Geißel sind die T. in der Lage, sich im Blut ihres Wirtes frei zu bewegen.

Trichomonas

Trichomonas wird in der Wikipedia als eine Gattung innerhalb der Eukaryoten dargestellt, was nicht unbedingt sehr aufschlussreich ist. Auf der Seite "Trichomonadidae" erfährt man dann, dass diese Familie zur Ordnung Trichomonadea gehört, die wiederum dem ranglosen Taxon Fornicata angehören. Interessanterweise tauchen im Tree of Life die Trichomonadea nicht bei den Fornicata auf. Wer hat nun Recht?

Die meisten Arten der Gattung Trichomonas sind harmlose Kommensalen [7], leben also in den Körperflüssigkeiten von Tieren, ohne Schaden anzurichten. Einige wenige Arten gehören jedoch zu Krankheitserregern bei Menschen und Tieren. T. tenax ist ein harmloser Kommensale in der Mundhöhle des Menschen, und T. vaginalis ist Auslöser einer sexuell übertragbaren Vaginalinfektion.

Schematische Darstellung eines Trichomonaden
1 = Flagella, 2 = Schleppgeißel, 3 = Kinetosomen, 4 = Zellkern, 5 = Achsenstab
Autor: Johannes Bedenbender 2008, Lizenz: CC-by-sa 2.0/de

Die Zellen der Trichomonas-Arten besitzen keine Mitochondrien, sondern sogenannte Hydrogenosomen. Das sind abgewandelte Mitochondrien, die ihre DNA und ihre Ribosomen verloren haben. Eine Atmungskette läuft in den Hydrogenosomen nicht ab, das benötigte ATP wird aus dem Pyruvat der Glycolyse über Acetyl-CoA und Acetat hergestellt [8].

Mastigamoebaea

Obwohl diese Protozoen wie Amöben aussehen und auch systematisch zu den Amoebozoa gehören, besitzen sie eine lange Geißel und gehören damit zur Organisationsform der Zooflagellata.

Mastigamoeba aspera
painter from Brockhaus and Efron Encyclopedic Dictionary, Public domain, via Wikimedia Commons

Die Zellen dieser Protozoen besitzen keine Mitochondrien, sie können daher keine aerobe Dissimilation betreiben und kommen in Umgebungen mit geringem oder gar keinem Sauerstoff vor [9].

Ältere Systematiken der Flagellata

Kaestner 1980

Kaestner stellt in dem ersten Teilband seines "Lehrbuchs der Speziellen Zoologie" von 1980 sämtliche Flagellata dar, auch die vielen Ordnungen, die sich durch Chloroplasten auszeichnen und eigentlich in einem Lehrbuch der Botanik behandelt werden müssten.

Storch/Welsch 2005

In diesem "Kurzen Lehrbuch der Zoologie" von 2005 werden die Zooflagellaten auf gut drei Seiten behandelt (1,5 Seiten davon mit Bildern). Auf dieser Webseite finden Sie einen kurzen Überblick, wie die beiden Autoren die Zooflagellaten einteilen.

Aktuelle Systematik der Flagellata

Eine Systematik der Flagellata gibt es nicht mehr, in vielen Untergruppen der Eukaryoten findet man Protozoen mit einer, zwei oder mehreren Geißeln. Diese Protozoen werden dann oft als Flagellaten bezeichnet. Wenn sie über Chloroplasten verfügen, bezeichnet man sie als Phytoflagellaten, wenn sie sich ausschließlich heterotroph ernähren, als Zooflagellaten.

Tree of Life (2009)

Auf dieser Seite habe ich einmal den Versuch unternommen, den Tree of Life (großes Internet-Projekt, das zum Ziel hat, sämtliche Lebewesen der Erde systematisch einzuordnen) zu untersuchen und nachzuschauen, wo überall Flagellaten vorkommen.

Porträt eines bekannten Flagellaten

Einer der bekanntesten Flagellaten ist das Augentierchen Euglena viridis.

Euglena viridis

Auf dieser Seite habe einige historische und aktuelle Bilder von Euglena versammelt und auch eine kurze Beschreibung der Phototaxis ergänzt.

Quellen:

  1. Storch, Welsch: Kurzes Lehrbuch der Zoologie, 8. Auflage, München 2005.
  2. Wikipedia, Artikel "Flagellaten".
  3. Storch, Welsch: Kükenthal - Zoologisches Praktikum, 26. Auflage, München 2014.
  4. Kaestner, Lehrbuch der Speziellen Zoologie, Band I, 1. Teil, Stuttgart 1980.
  5. engl. Wikipedia, Artikel "Choanoflagellate"
  6. Wikipedia, Artikel "Trypanosomen"
  7. Wikipedia, Artikel "Trichomonas"
  8. Wikipedia, Artikel "Hydrogenosomen"
  9. Wikipedia, Artikel "Mastigamoebaea"
  10. Spektrum Lexikon der Biologie, Artikel "Haptophyceae"
  11. Spektrum Lexikon der Biologie, Artikel "Cryptophyceae"
  12. Spektrum Lexikon der Biologie, Artikel "Euglenophyceae"
  13. Wikipedia, Artikel "Raphidophyceae"