Helmichs Chemie-Lexikon

Entropie

Unter dem Begriff "Entropie" versteht man - einfach gesagt - so etwas wie "Unordnung". Bei natürlichen Vorgängen wie zum Beispiel der Diffusion von Teilchen, dem Wärmeausgleich zwischen zwei Körpern, dem Bergabfließen von Wasser und so weiter kommt es zu einer Zunahme der Entropie. Die Beobachtung vieler solcher Phänomene führte dann zum zweiten Hauptsatz der Thermodynamik, nach der die Entropie des Universums ständig zunimmt.

Statistische Deutung der Entropie

Die folgenden Überlegungen gehen auf die Arbeiten von Ludwig Boltzmann (1844 - 1906) zurück. Betrachten wir dazu folgendes Beispiel:

Beispiel für die statistische Deutung der Entropie
Autor: Ulrich Helmich 2022, Lizenz: siehe Seitenende

In einem geschlossenen System, das aus zwei Hälften besteht (links / rechts) befinden sich vier Teilchen. Die Wahrscheinlichkeit, dass sich alle vier Teilchen in der linken Hälfte befinden, ist 1/16, wie man gut nachvollziehen kann, da es insgesamt 16 Möglichkeiten der Verteilung gibt. Für den Makrozustand "3 / 1" gibt es vier Möglichkeiten oder Mikrozustände. Die Wahrscheinlichkeit für diesen Makrozustand ist also 4/16. Der Makrozustand "2 / 2" wird sogar durch sechs Mikrozustände mit einer Wahrscheinlichkeit von 6/16 realisiert, der Makrozustand "1 / 3" durch vier Mikrozustände und der Makrozustand "0 / 4" durch nur einen Mikrozustand.

Nach Boltzmann ist die Entropie eines Makrozustandes nun proportional der Anzahl der Mikrozustände, allerdings wird hier noch eine Logarithmusfunktion "zwischengeschaltet":

S = kB * ln(Z)

Die Entropie S berechnet sich aus dem natürlichen Logarithmus der Zahl der möglichen Mikrozustände Z eines Systems. kB ist eine Naturkonstante, die als Boltzmann-Konstante bezeichnet wird. Sie hat einen sehr unanschaulichen Wert von 1,380649 * 10-23 J/K, dabei ist K die Maßeinheit Kelvin für die absolute Temperatur. Die Boltzmann-Konstante ist der Quotient aus der allgemeinen Gaskonstanten R und der Avogadro-Konstanten NA.

Als Entropiezunahme ΔS wird der Entropieunterschied zwischen zwei Makrozuständen bezeichnet. Betrachten wir das einmal für einen Diffusionsprozess. Am Anfang (Makrozustand 1) befinden sich vier Teilchen in der linken Hälfte eines Gefäßes. Die Entropie dieses Makrozustandes sei S1 = kB * ln(Z1). Durch die Brownsche Molekularbewegung flitzen die Teilchen in den beiden Hälften des Gefäßes hin- und her. Wie man in der Abbildung 1 gut sehen kann, ist die Wahrscheinlichkeit für den Makrozustand (2 / 2) am größten. In diesem Makrozustand herrscht ein Konzentrationsausgleich. Die Entropie dieses Makrozustandes sei S2 = kB * ln(Z2), dabei gilt S2 > S1. Die Differenz S2 - S1 kann nun als Entropiezunahme ΔS angesehen werden.

Mathematisch kann man die Entropiezunahme dieses Makrozustand-Wechsels von Z1 nach Z2 auch so formulieren:

ΔS = kB * ln(Z2/Z1)

Neben dieser statistischen Interpretation der Entropie gibt es aber auch noch eine chemische, der wir uns nun zuwenden.

Chemische Deutung der Entropie

Aus chemischer Sicht versteht man unter der Entropie eines Stoffes die Wärmemenge Q, die er beim Erwärmen vom absoluten Nullpunkt (0 K) bis zur aktuellen Temperatur T (zum Beispiel 293 K) aufgenommen hat.

S = Qm / T

Qm ist dabei die von einem Mol des Stoffes aufgenommene Wärmemenge und T ist die absolute Temperatur in Kelvin. Ist der Druck konstant, stimmt Qm mit der Enthalpieänderung ΔH überein [2]. Die Einheit der Entropie S ist daher J * K-1 * mol-1.

Um die Reaktionsentropie ΔS zu ermitteln, verfährt man ähnlich wie bei der Ermittlung der Reaktionsenthalpie: Man berechnet die Gesamtentropie der Produkte und subtrahiert davon die Gesamtentropie der Edukte.

Haben die Produkte eine höhere Gesamtentropie als die Edukte, ist ΔS positiv, und der Term T * ΔS der Gibbs-Helmholtz-Gleichung

$\Delta G = \Delta H - T \cdot\Delta S $

wird negativ.

Praktisch bedeutet das, dass auch endotherme Reaktionen mit ΔH>0 freiwillig und spontan ablaufen können, wenn die Entropie während der Reaktion stark zunimmt. Wenn zum Beispiel aus zwei festen Stoffen ein Gas entsteht oder wenn sich ein fester Stoff in Wasser auflöst nimmt die Entropie stark zu. Ein bekanntes Beispiel aus dem Schulunterricht ist das Auflösen von Ammoniumnitrat in Wasser. An sich ist der Vorgang endotherm, da die Gitterenergie des Salzes recht hoch ist. Trotzdem läuft der Vorgang spontan ab, weil ΔS sehr groß ist. Der stark negative Term -T * ΔS "zieht" die freie Energie ΔG ins Negative, und damit ist die Reaktion exergonisch und läuft spontan ab.

Quellen:

  1. Hollemann, Wiberg, Lehrbuch der Anorganischen Chemie, 102. Auflage 2007 Berlin.
  2. Binnewies et al., Allgemeine und anorganische Chemie, 3. Auflage, Springer-Verlag 2016.