Helmichs Chemie-Lexikon

Keto-Enol-Tautomerie

Unter einer Tautomerie versteht man in der Chemie das Hin- und Herpendeln eines Moleküls zwischen zwei verschiedenen Konstitutionen, es werden also tatsächlich Atome umgelagert. Das bekannteste Beispiel für eine solche Tautomerie ist die Keto-Enol-Tautomerie. Hier ein allgemeines Beispiel:

siehe Text

Links sehen wir die Keto-Form, rechts die Enol-Form. Das chemische Gleichgewicht bei der Keto-Enol-Tautomerie von Ketonen und Aldehyden liegt normalerweise sehr weit auf der linken Seite, auf der Keto-Seite also.

Wie kommt diese Reaktion der Aldehyde und Ketone zustande? Dazu schauen wir uns das folgende Schema an:

siehe Text

In einem Keton oder Aldehyd ist das Sauerstoff-Atom wegen seiner hohen Elektronegativität stark elektronenziehend, vom C-Atom der Carbonylgruppe werden also Elektronen-Anteile abgezogen, wodurch das C-Atom leicht positiv polarisiert wird. Dieser Effekt überträgt sich auch auf das benachbarte C-Atom, auf das sogenannte alpha-C-Atom. Dadurch werden aber auch aus der C-H-Bindung dieses alpha-C-Atoms Elektronen-Anteile abgezogen, so dass diese Bindung ebenfalls polarer wird. Die Folge ist eine starke Zunahme des sauren Charakters dieser C-H-Bindung. In Anwesenheit einer sehr starken Base kann das alpha-C-Atom dann ein Proton abgeben. Das sieht man links auf dem obigen Bild. Es entsteht ein Anion, bei dem sich die negative Ladung am alpha-C-Atom, aber auch am Sauerstoff-Atom der Carbonylgruppe aufhalten kann. Es handelt sich hier um zwei Grenzstrukturen, was ja auch der Doppelpfeil schon andeutet. Wird von diesem mesomeriestabilisierten Anion nun wieder ein Proton aufgenommen, so kann sich dieses an das alpha-C-Atom setzen oder an das negative Sauerstoff-Atom. Im ersten Fall bildet sich das Keton bzw. das Aldehyd zurück, im zweiten Fall bildet sich ein Enol, also ein Alken mit einer Hydroxgruppe.