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Gentechnik

Was ist Gentechnik?

Zunächst einmal wollen wir hier klären, was man überhaupt unter dem Begriff "Gentechnik" versteht.

Auslesezucht

Vor mehr als 6000 Jahren wurde der Mensch sesshaft und begann systematisch, Tiere und Pflanzen zu züchten. Er wählte die dicksten Getreidekörner und die Kühe, die am meisten Milch gaben, und züchtete diese Exemplare weiter. Diese Art von Tier- und Pflanzenzucht bezeichnet man übrigens als Auslesezucht. Der Mensch übernimmt hier die Rolle der Natur, betreibt allerdings eine gezielte Selektion. In der Natur überleben nach Darwin die Individuen, die am besten an die Umwelt angepasst sind. In der Auslesezucht des Menschen kommen die Individuen zur Fortpflanzung, die am besten an die Zuchtziele des Menschen angepasst sind. Gene werden bei dieser Zucht zwar indirekt verändert, aber von einem gezielten Eingriff in die Gene kann hier nicht die Rede sein. Der Zufall spielt eine sehr große Rolle bei der Auslesezucht, und der Zuchterfolg kann nur in engen Grenzen gesteuert werden.

Auslesezucht = Züchtung neuer Sorten (Rassen) durch Auffinden und Selektion bereits vorhandener Variationen einer Art.

Mutationszucht

Im 19. Jahrhundert entdeckte man, dass alle Lebewesen aus Zellen aufgebaut sind und dass alle Zellen einen Zellkern haben. Anfang des 20. Jahrhunderts entdeckte man, dass die Chromosomen, die während der Mitose sichtbar werden, etwas mit der Vererbung von Eigenschaften zu tun haben. 1944 schließlich entdeckte Avery, dass die DNA in den Chromosomen der Überträger der Erbinformation ist. Kurze Zeit später wusste man, dass UV-Strahlung, Röntgenstrahlung und bestimmte Chemikalien die Basensequenz der DNA verändern können. Biologen und Landwirte begannen ungefähr um diese Zeit, Tiere und Pflanzen gezielt zu bestrahlen, um die Mutationsrate zu erhöhen. Tatsächlich schaffte man auf diese Weise in kurzer Zeit neue Mutationen, die man weiter züchten konnte. Allerdings ist diese Mutationszüchtung ebenfalls stark vom Zufall abhängig, eine gezielte Änderung des Erbgutes ist damit nicht zu erreichen.

Mutationszucht = Züchtungsverfahren, bei dem die genetische Variabilität durch künstlich herbeigeführte Mutationen erhöht wird. Anschließend erfolgt eine klassische Auslese, die sich an den Zuchtzielen orientiert.

Durch den Einsatz von CRISPR/Cas9-Methoden hat sich dieses Bild in den letzten Jahren allerdings etwas geändert. Das Cas9-Schneideenzym wird durch eine kurze RNA gezielt zu einem bestimmten Gen geleitet und schneidet dieses wie eine Schere durch. Die DNA-Reparaturmechanismen der Zelle stellen dann die ursprüngliche DNA wieder her, dabei passieren allerdings ziemlich viele Fehler - Mutationen. Eine normale Pflanze hat ca. 20.000 bis 30.000 Gene. Bei der klassischen Mutationszucht kann man nicht bestimmen, welches dieser Gene verändert werden soll. Bei dem CRISPR/Cas9-Verfahren hat man diese Einschränkung jedoch nicht. Man kann ganz genau festlegen, welches der vielen Gene mutieren soll. Die Erfolgsaussichten für die vorteilhafte Mutation eines bestimmten Gens steigern sich so um den Faktor 20.000 bis 30.000.

Gentechnik

Damit haben wir jetzt genau beschrieben, was Gentechnik NICHT ist. Weder Auslesezucht noch Mutationszucht kann man als Gentechnik bezeichnet. Unter Gentechnik versteht man vielmehr alle Methoden, mit denen man das Erbgut eines Lebewesens gezielt verändern kann. Man baut beispielsweise ganz gezielt ein Resistenzgen oder sogar ein menschliches Insulingen in ein Bakterium ein.

Gentechnik = gezielte Veränderung des Erbgutes von Lebewesen

Geburtsstunde der Gentechnik war das Jahr 1973, als Stanley Norman Cohen und Herbert Wayne Boyer es schafften, ein Antibiotikaresistenz-Gen von einem Bakterium auf ein anderes zu übertragen.

Geschichtlicher Überblick

1966: Entschlüsselung des genetischen Codes
1970: Entdeckung der Restriktionsenzyme in Bakterien.
1971: Manipulation eines Viren-Genoms mit Restriktionsenzymen.
1973: Erstes gentechnisch verändertes Bakterium - Geburt der "Gentechnik"
1976: Gründung von "Genentech" - die erste Genfirma
1978: Insulin-Gen der Ratte wird in Bakterien eingebaut.
1980: Das menschliche Insulin-Gen wird in Bakterien eingebaut.
1982: Erste kommerzielle Synthese von gentechnischem Humaninsulin.
1983: Die Polymerase-Kettenreaktion wird entdeckt.
1983: Das Genom des AIDS-Virus wird vollständig entschlüsselt.
1985: Die erste gentechnisch veränderte Pflanze wird patentiert.
1985: Der erste genetische Fingerabdruck wird erstellt.
1987: Entdeckung der prokaryotischen CRISPR/Cas9-Immunabwehr
1988: Das erste Patent für ein gentechnisch verändertes Säugetier.
1990: Beginn des Humangenomprojekts
1991: Erste Gentherapie am Menschen.
1994: Das erste gentechnisch veränderte Nahrungsmittel ist eine Tomate.
1997: Das erste Klonschaf, "Dolly", wird geboren.
1998: Das Genom des ersten Tieres - ein Fadenwurm - wird entschlüsselt.
2000: Das Genom der Fruchtfliege Drosophila wird vollständig entschlüsselt.
2000: Das Genom des Menschen ist am 26. Juni 2000 vollständig entschlüsselt.
2003: Das menschliche Genom ist vollständig entschlüsselt
2004: Kennzeichnungspflicht für gentechnisch veränderte Lebensmittel in der EU
2010: Die EU-Kommission lässt die Gentechnik-Kartoffel Amflora zum Anbau zu.
2011: Entwicklung des CRISPR/Cas-Verfahrens
2013: Anbau und Vertrieb von Amflora wird gerichtlich verboten.
2014: In Brasilien werden erstmals gentechnisch veränderte Moskitos freigesetzt.
2015: Einsatz der CRISPR/Cas-Technik an Moskitos
2016: Durch CRISPR/Cas veränderte Speisepilze werden zum Verzehr freigegeben (USA)
2018: Golden Rice wird in Australien und Neuseeland erlaubt.
2018: In China werden (angeblich) Kinder geboren, deren Erbgut mittels CRISPR/Cas "optimiert" wurde.

Gebiete der Gentechnik

Im Allgemeinen teilt man die Gentechnik in die drei klassischen Gebiete "grüne Gentechnik" (Landwirtschaft), "rote Gentechnik" (Medizin) und "weiße Gentechnik" (Biotechnologie) ein.

Grüne Gentechnik

Die "grüne Gentechnik" oder "Agrogentechnik" (Wikipedia) ist die Gentechnik der Landwirtschaft und
Lebensmittelindustrie.

  • Kulturpflanzen werden gentechnisch verändert, so dass sie resistent sind gegen: Schädlinge, Insektizide, Frost, Hitze oder Dürre.
  • Die Grüne Gentechnik ist der umstrittenste Bereich der Gentechnik.
  • Im Jahre 2009 waren 78% der Deutschen gegen gentechnisch veränderte
    Lebensmittel.
Rote Gentechnik

Die "rote Gentechnik" oder "rote Biotechnologie" (Wikipedia) ist die Gentechnik der Medizin.

  • Diagnoseverfahren: Krankheiten können frühzeitig erkannt werden.
  • Gentherapie: Erbkrankheiten können durch eingeschleuste gesunde Gene geheilt werden.
  • Regenerationsmedizin: Ganze Organe sollen mit Hilfe gentechnischer Methoden gezüchtet werden.
  • Medikamente: Arzneimittel wie Insulin werden mit gentechnischen Methoden hergestellt.
Weiße Gentechnik

Die "weiße Gentechnik" oder "industrielle Biotechnologie" (Wikipedia) ist die Gentechnik der Industrie.

  • Ersatzstoffe für fossile Energieträger: Aus Biomasse werden Bioethanol, Biogas und andere Ersatzstoffe gewonnen.
  • Antibiotika: Mit Hilfe gentechnischer Methoden werden Antibiotika wie Cephalosporin aus Mikroorganismen gewonnen.
  • Nahrungsmittelzusätze: Vitamine, Aminosäuren etc. werden heute in großen Bioreaktoren hergestellt.
  • Enzyme: Viele Enzyme, zum Beispiel für Waschmittel, werden heute gentechnisch hergestellt.
  • Viele weitere Anwendungen in der Textilindustrie, in der Herstellung von Kunststoffen und so weiter sind heute möglich.

In den letzten Jahren  haben sich neben den drei klassischen Gentechnik-Zweigen "grün", "rot" und "weiß" auch eine "graue Gentechnik" und eine "blaue Gentechnik" etabliert.

Graue Gentechnik

Die "graue Gentechnik" kann auch als "Umweltbiotechnologie" (Wikipedia) charakterisiert werden. Dieser Zweig der Gentechnik befasst sich mit

  • Verfahren zur Aufbereitung von Trinkwasser
  • Reinigung von Abwasser
  • Behandlung von Abfällen
  • Sanierung kontaminierter Böden
  • Abluft- und Abgasreinigung
Blaue Gentechnik

Laut Wikipedia gibt es inzwischen auch eine "blaue Gentechnik", die sich mit Lebewesen im Meer, vor allem Meeresbakterien beschäftigt. Viele Meeresbakterien leben unter extremen Umweltbedingungen, zum Beispiel in heißen Quellen, und produzieren daher interessante Enzyme und andere Wirkstoffe, die für die Industrie oder auch die Medizin interessant sein könnten.