Helmichs Biologie-Lexikon

Ionenkanal

Ein Ionenkanal ist ein Porenprotein mit einem hydrophilen Kanal, durch den bestimmte Ionen die Zellmembran (oder die Membran eines Organells) passieren können.

Ionenkanäle sind extrem schnell und sehr spezifisch

Ionenkanäle sind auf den extrem schnellen Transport von Ionen durch Membranen spezialisiert. Es gibt einige unspezifische Ionenkanäle, die mehrere Sorten positiver oder negativer Ionen passieren lassen, zum Beispiel Na+ und Li+-Ionen, und es gibt sehr spezifische Ionenkanäle, die ausschließlich Na+, K+, Cl-, Ca2+- oder Mg2+-Ionen durchlassen. Man kennt inzwischen mehr als 100 verschiedene Ionenkanäle [1], eine Nervenzelle kann bis zu 10 unterschiedliche Typen von Ionenkanälen besitzen. Auch Pflanzen und Prokaryoten besitzen Ionenkanäle in ihrer Zellmembran.

Ionenkanäle sind keine einfachen Poren

Ionenkanäle sind keine simplen, ständig offenen Poren, durch die die Ionen einfach in Richtung des Konzentrationsgefälles ein- oder ausströmen können.

"Sie sind keine starren, wassergefüllten Röhren,... sondern Labyrinthe von sich schnell gegeneinander verschiebenden Molekülgruppen der Kanalwand mit einer wässrigen Phase" [3]

Die meisten Ionenkanäle sind immer nur für wenige Millisekunden geöffnet, meistens sind sie geschlossen, bis auf wenige Ausnahmen. Aber in diesen paar Millisekunden können mehrere 10.000 Ionen den Kanal passieren.

Die sogenannten Kalium-Sickerkanäle sind in der Tat ständig geöffnet, sie sind für das Ruhepotenzial der Zellen (nicht nur der Nervenzellen) verantwortlich: Das ständig mit dem Konzentrationsgefälle ausströmende K+ hinterlässt eine negative Ladung auf der Membraninnenseite und führt zu einer positiven Ladung der Membranaußenseite. Diese Ladungsdifferenz ist dann als Membranspannung messbar.

Ionenkanäle können gezielt geöffnet / geschlossen werden

Im Gegensatz zu einfachen Poren wie zum Beispiel den Aquaporinen, die für die Wasserversorgung der Zelle wichtig sind, können Ionenkanäle bei Bedarf geöffnet oder wieder geschlossen werden. Das Öffnen und Schließen kann dabei auf drei verschiedene Weisen gesteuert werden

  • Durch Liganden = ligandengesteuerte Ionenkanäle
  • Durch Veränderung der Membranspannung = spannungsgesteuerte Ionenkanäle
  • Durch mechanische Kräfte = mechanisch gesteuerte Ionenkanäle

Diese drei Mechanismen werden im folgenden Abschnitt näher erläutert.

Steuerung von Ionenkanälen

Ligandengesteuerte Ionenkanäle

Die ligandengesteuerten Ionenkanäle - manchmal findet man auch den Begriff "chemisch gesteuerte Ionenkanäle" - arbeiten im Prinzip wie ein allosterisches Enzym: Neben der eigentlichen hydrophilen Pore für den Ionentransport besitzen sie noch eine Rezeptorregion, in die sich ein kleines Moleküle wie Acetylcholin oder Adrenalin setzen kann. Erst dann, wenn dieser Effektor sich nach dem Schlüssel-Schloss-Prinzip in die Rezeptorregion setzt, öffnet sich der Kanal. Das ist beispielsweise bei den Natriumkanälen der postsynaptischen Membran der Fall. Ein Neurotransmitter wie Acetylcholin setzt sich in die Rezeptorregion der Natriumkanäle, und dann öffnen sich diese, so dass Natrium-Ionen in die postsynaptische Zelle einströmen und deren Membranpotenzial verändern können (Depolarisierung = Erhöhung des Membranpotenzial von zum Beispiel -70 mV auf -30 mV).

Die Bindung des Effektors an die Rezeptorregion des Ionenkanals ist reversibel und - zumindest bei Nervenzellen - sehr kurzfristig. Wenn sich der Effektor aus der Rezeptorregion entfernt, schließt sich der Ionenkanal wieder und "wartet" auf das nächste Effektor-Molekül.

Spannungsgesteuerte Ionenkanäle

Die spannungsgesteuerten Ionenkanäle - manchmal liest man auch "elektrisch gesteuerte Ionenkanäle" machen ihren Öffnungszustand von dem aktuellen Membranpotenzial abhängig. Die Natriumkanäle in der Membran von Axonen (den langen Ausläufern einer Nervenzelle, die der Informations-Weiterleitung zur Synapse dienen) sind zum Beispiel im Ruhezustand der Zelle geschlossen, wenn ein Membranpotenzial von ca. -70 mV herrscht. Erhöht sich das Membranpotenzial aus irgend einem Grund auf -50 oder -40 mV, dann beginnen diese Natrium-Kanäle, sich zu öffnen. Je stärker die Membranspannung von dem Ruhewert -70 mV abweicht, desto mehr spannungsgesteuerte Natrium-Kanäle öffnen sich. Jeder einzelne Kanal kann sich allerdings nur entweder öffnen oder schließen, es gibt keinen Zwischenzustand wie "zu 40% geöffnet".

Spannungsgesteuerte Ionenkanäle haben nicht nur eine hydrophile Pore, die Ionen passieren lässt, sondern besitzen auch noch geschickt verteilte elektrische Ladungen (geladene Seitenketten von Aminosäuren), die auf Spannungsänderungen der Membran reagieren und den Kanal zum Öffnen oder zum Schließen veranlassen.

Natriumkanal, spannungsgesteuert

Auf dieser Lexikonseite finden Sie eine ausführliche Darstellung der Funktionsweise eines spannungsgesteuerten Natrium-Kanals.

Mechanisch gesteuerte Ionenkanäle

Jedes Tier besitzt Sinne wie Hören, Tasten oder Fühlen. Verantwortlich dafür sind mechanisch gesteuerte Ionenkanäle. Sinneshaare, wie man sie zum Beispiel von Insekten kennt, stehen mit ihrer Haarwurzel über einen komplizierten Mechanismus mit Natrium-Kanälen von Mechanorezeptoren (Sinneszellen, die auf mechanische Reize reagieren) in Verbindung.

Durch diesen Natrium-Kanal fließt im Ruhezustand eine bestimmte Menge von Natrium-Ionen pro Zeiteinheit.

Verbiegt sich nun ein solches Sinneshaar, zum Beispiel durch den Fahrtwind eines vorbeifliegenden Beutetiers, so werden die beiden Hälften des Natrium-Kanals regelrecht auseinander gezogen. Dadurch können dann deutlich mehr Natrium-Ionen in die Sinneszelle einströmen als im Ruhezustand.

Verbiegt sich das Sinneshaar in die andere Richtung, werden die beiden Hälften des Kanals dagegen zusammengeschoben, es können dann weniger oder gar keine Natrium-Ionen mehr in die Sinneszelle eindringen. Auf diese Weise kann das Tier dann sogar die Richtung ermitteln, aus der das Beuteinsekt angeflogen kam.

Diese mechanisch gesteuerten Natrium-Kanäle arbeiten also nicht nach dem Alles-Oder-Nichts-Prinzip wie die meisten Ionenkanäle, die entweder voll geöffnet oder komplett geschlossen sind.

Ionenkanäle

In der Cytologie-Abteilung habe ich dieses Thema mit mehreren Bildern anschaulich erklärt, allerdings richtet sich diese Seite eher an Schüler(innen) der Stufe EF. Wenn Ihnen die Erklärungen auf der Seite hier zu komplex sind, gehen Sie doch auf diese einfachere Seite.

Die Diffusion durch Ionenkanäle
wird durch zwei Faktoren bestimmt

Bei einer einfachen Pore, die Moleküle wie Wasser passieren lässt, hängt die Diffusionsgeschwindigkeit einfach von dem Konzentrationsgradienten ab: Je größer dieser ist, desto mehr Teilchen passieren die Membran pro Zeiteinheit.

Bei Ionenkanälen kommt jedoch ein zweiter wichtiger Faktor dazu, der die Diffusionsgeschwindigkeit und die Diffusionsrichtung bestimmt: Das Membranpotenzial (die Spannung, die an der Membran gemessen werden kann).

Fallbeispiel Natrium-Kanal

Stellen Sie sich einen Natrium-Kanal vor, der in einer Zellmembran mit einem Membranpotenzial von -70 mV sitzt, wobei die Innenseite der Membran negativ und die Außenseite positiv geladen ist (so wie bei einer normalen Zelle im Ruhezustand).

Außerhalb der Zelle herrscht eine sehr hohe Konzentration an Natrium-Ionen, innerhalb der Zelle eine extrem geringe. Es besteht also ein starkes Konzentrationsgefälle von außen nach innen. Man sagt, das chemische Natrium-Potenzial ist sehr groß. Mit dem Begriff "Chemisches Potenzial" bezeichnet man die Tatsache, dass ein Konzentrationsgradient eine Art gespeicherte Energie ist, also in der Lage ist, Arbeit zu verrichten.

Nun ist die Membran auf der Innenseite negativ geladen. Diese negative Ladung zieht die Natrium-Ionen zusätzlich an. Es werden also deutlich mehr Natrium-Ionen pro Zeiteinheit in die Zelle diffundieren, wenn sich dieser Natrium-Kanal öffnet, als wenn keine Membranspannung vorhanden wäre. Das elektrische Potenzial (die Membranspannung) hat die gleiche Richtung wie das chemische Potenzial der Natrium-Ionen.

Fallbeispiel Kalium-Kanal

Bei den Kalium-Ionen einer Zelle ist das anders. Der Kalium-Konzentrationsgradient geht von innen nach außen: Innerhalb der Zelle befinden sich viel mehr Kalium-Ionen als außerhalb. Öffnen sich die Kalium-Kanäle der Membran, sollten also sehr viele Kalium-Ionen nach außen strömen. Man beobachtet jedoch keinen oder einen nur sehr geringen Kalium-Ausstrom. Der Grund hierfür ist wieder das elektrische Potenzial. Die Membran ist innen negativ geladen, und diese negativen Ladungen halten die positiven Kalium-Ionen fest. Das elektrische Potenzial zeigt in die entgegengesetzte Richtung wie das chemische Kalium-Potenzial.

Elektrochemisches Potenzial

Beide Potenziale - chemisches Potenzial (Konzentrationsgradient) und elektrisches Potenzial (Membranspannung) fasst man nun zum elektrochemischen Potenzial zusammen. Dieses elektrochemische Potenzial bestimmt nun, in welche Richtung und wie stark die Ionen beim Öffnen des Ionenkanals diffundieren.

Quellen:

  1. Alberts, Bruce et al. Molekularbiologie der Zelle, 6. Auflage, Weinheim 2017.
  2. Berg, Tymoczko, Gatto jr., Stryer: Stryer Biochemie, 8. Auflage, Springer Berlin Heidelberg 2018.
  3. Dudel, Menzel, Schmidt: Neurowissenschaft, Heidelberg 2001.