Helmichs Biologie-Lexikon

Reverse Transkription

Neben den "normalen" Viren, die eigentlich nur aus einem DNA-Doppelstrang bestehen, der in eine Proteinhülle verpackt ist, gibt es auch Retroviren. Diese besitzen als Erbmaterial keine DNA, sondern RNA-Einzelstränge.

Injiziert ein solcher Retrovirus seine RNA in eine pro- oder eukaryotische Wirtszelle, so besteht das Problem, dass die Wirtszelle nur auf die Replikation und Transkription doppelsträngiger DNA eingerichtet ist. Mit der Viren-RNA kann die Wirtszelle noch nicht viel anfangen.

Die RNA-Viren bringen aber ein Enzym namens reverse Transkriptase mit sich, das in der Lage ist, die Viren-RNA in doppelsträngige DNA umzuschreiben und so dem biochemischen Apparat der Wirtszelle unterzujubeln.

In der Gentechnik spielt die reverse Transkription eine sehr wichtige Rolle bei der Gewinnung der eukaryotischen DNA, die in Bakterienzellen eingeschleust werden soll.

Wie erfolgt nun eine solche reverse Transkription?

Zunächst muss eine geeignete mRNA isoliert werden. Normalerweise hat eine solche mRNA einen Poly-A-Schwanz, so wie im folgenden Bild dargestellt:

Die reverse Transkriptase benötigt - ähnlich wie die DNA-Polymerase - einen DNA-Primer, damit sie überhaupt anfangen kann mit ihrer Synthese. Da alle mRNA-Moleküle einen Poly-A-Schwanz haben, ist die Synthese eines solchen Primers kein Problem:

Die reverse Transkriptase setzt nun an dem 3'-Ende dieses Oligo-dT-Primers (15 bis 25 Nucleotide lang) an und synthetisiert eine komplementäre DNA, die cDNA:

Mit diesem RNA-DNA-Hybrid-Doppelstrang kann man natürlich noch nicht viel anfangen, weder eine normale Replikation noch eine Transkription ist damit möglich. Also beseitigt man im nächsten Schritt den RNA-Einzelstrang. Auch dafür gibt es geeignete Werkzeuge, nämlich die RNAsen, Enzyme also, die RNA abbauen.

Der größte Teil der RNA wird nun abgebaut, und es bleibt ein cDNA-Strang übrig, die sogenannte Erststrang-cDNA:

Wie man auf dem Bild gut sehen kann, wurde die RNA nicht komplett abgebaut, sondern ein kleiner Teil wurde als Primer für den nächsten Schritt übrig gelassen.

Im nächsten Schritt nimmt man nun das Enzym DNA-Polymerase I, welches dann den cDNA-Strang komplementär mit "richtiger" DNA ergänzt. Dazu ist aber wieder ein Primer notwendig. Entweder fügt man diesen Primer künstlich zu, oder man setzt, wie oben gezeigt, eine RNAse ein, die einen kleinen Teil der ursprünglichen RNA übrig lässt.

Die letzten Schritte bestehen nun darin, dass man den kurzen RNA-Primer durch DNA-Nucleotide ersetzt, und dass man den überflüssigen Poly-T-Schwanz entfernt.

Nun kann der so gewonnene DNA-Doppelstrang in der Gentechnik eingesetzt werden.

Das hier beschriebene Verfahren habe ich dem Buch "Gentechnik: Grundlagen, Methoden und Anwendungen" von Annette Reineke entnommen und didaktisch reduziert. Die Graphiken sind selbst erstellt. Wenn Sie wollen, können Sie alle Graphiken zur reversen Transkription, die ich angefertigt habe, als PDF-Datei für Ihren Unterricht kostenlos herunter laden. Eine kommerzielle Verwendung schließe ich hiermit ausdrücklich aus.