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Fortpflanzungsstrategien

Exp. Wachstum - Log. Wachstum  - Geschlechterrelation - Fortpflanzungsstrategien

Gilbweiderich im Harz

Lysimachia - Gilbweiderich

Der Gilbweiderich (Lysimachia) ist eine im Harz und anderen Regionen der Nordhalbkugel sehr weit verbreitete Gattung der Primelgewächse. Jede einzelne Pflanze bildet extrem viele Samen, die mit dem Wind in alle Gegenden verbreitet werden. Die Wachstumsrate des Gilbweiderichs ist sehr hoch.

Elefanten

Um ein anderes Extrem zu verdeutlichen, betrachten wir den Elefanten. Ein afrikanischer Elefant wird erst mit ca. 10 Jahren geschlechtsreif, Bullen teils erst mit 20, und die Tragzeit beträgt 20 bis 22 Monate. Eine Elefantenmutter bekommt immer nur ein Kind, nur in wenigen Fällen (1 bis 2%) mal zwei.

r- und K-Strategie

Wenn wir den Gilbweiderich und den Elefanten in Bezug auf die Fortpflanzung miteinander vergleichen, so können wir zwei Fortpflanzungsstrategien erkennen, die man folgendermaßen beschreiben könnte:

Strategie 1

Bekomme möglichst früh möglichst viele Nachkommen. Natürlich hast du dann keine Zeit mehr, dich um die Nachkommen zu kümmern, aber das ist ja auch egal, denn durch den hohen Überschuss an Nachkommen ist sichergestellt, dass ein paar davon den Kampf ums Dasein überleben und ihrerseits Nachkommen haben.

Strategie 2

Der Kampf ums Überleben ist schrecklich grausam. Sieh zu, dass du deine Nachkommen davor schützt und möglichst lange behütest. Dazu musst du viel Zeit und Arbeit investieren (Brutpflege). Dann ist klar, dass du nicht viele Nachkommen in deinem Leben haben kannst. Du fängst erst spät mit der Fortpflanzung an und bekommst auch nur wenige Kinder, um die du dich aber intensiv kümmerst. Dann ist sichergestellt, dass die meisten deiner Kinder überleben und ihre Gene weitergeben können.

Die Strategie 1 beschreibt das, was man in der Fachliteratur als r-Strategie kennt. Das kleine "r" steht für die hohe Fortpflanzungsrate. Die Strategie 2 dagegen beschreibt die sogenannte K-Strategie. Das große K steht für die Kapazität der Umwelt.

Die r-Strategie ("Quantität")

Die r-Strategie ist typisch für Lebensräume, in denen sich die Umweltbedingungen immer wieder schnell ändern (wechselhafte Umwelt). Evolutionsbiologisch kann man das leicht erklären. Betrachten wir dazu eine einfache Temperaturtoleranzkurve. Ein paar Tiere lieben niedrige Temperaturen, ein paar Tiere bevorzugen hohe Temperaturen, die meisten Tiere präferieren dagegen mittlere Temperaturen. Steigt die Umwelttemperatur nun plötzlich, dann sind die Tiere, die bisher kühle Temperaturen bevorzugten, stark benachteiligt, die Wahrscheinlichkeit, dass sie ihre Gene an Nachkommen weitergeben, sinkt drastisch. Umgekehrt haben die wenigen Tiere, die schon vorher höhere Temperaturen bevorzugten, plötzlich einen Fortpflanzungsvorteil.

Die Nachkommen eines Tieres unterscheiden sich voneinander, dafür sorgen die Genetik und die Evolution (Variabilität). Hat eine Mutter nur einen oder zwei Nachkommen (siehe Elefant), so ist die Wahrscheinlichkeit, dass einer dieser Nachkommen mit den veränderten Umweltbedingungen zurecht kommt, sehr gering. Hat eine Mutter (oder ein Vater, oder eine weibliche / männliche Pflanze) dagegen viele Nachkommen, so ist es recht wahrscheinlich, dass zumindest einige wenige dieser vielen Nachkommen mit den veränderten Umweltbedingungen fertig werden.

Merkmale von r-Strategen

Wir beschränken uns hier mal auf das Tierreich, bei Pflanzen kann man diese Verallgemeinerungen oft nicht machen.

r-Strategen sind oft recht klein, haben eine meist kurze Lebensdauer, dafür aber eine sehr hohe Nachkommenzahl. Die Vorsorge (Brutpflege, Brutfürsorge) für die Nachkommen ist nicht vorhanden oder nur sehr minimal. Aufgrund der wechselhaften Umwelt schwankt die Populationsgröße stark von Generation zu Generation (Fluktuationen, Oszillationen).

Die K-Strategie ("Qualität")

Merkmale von K-Strategen

K-Strategen sind meistens groß, haben eine längere Lebenserwartung und eine geringe Zahl an Nachkommen. Die Tiere kümmern sich um ihre Nachkommen teils sehr intensiv (Brutpflege, Brutfürsorge). K-Strategen leben meistens in einer einigermaßen stabilen Umwelt, die Populationsgröße schwankt daher so gut wie nicht von Generation zu Generation.

Gegenüberstellung r- und K-Strategie

Beispiele für r- und K-Strategen

Beispiele für r-Strategen finden sich leicht bei niederen Pflanzen (Algen, Moose, Farne), die Millionen von Samen oder Sporen abgeben. Auch viele "niedere" Tiere wie Einzeller, Würmer, Insekten etc. sind Beispiele für r-Strategen, obwohl es hier sicherlich Ausnahmen gibt, wenn die Umwelt stabil ist. Auch viele "höhere" Tiere wie Fische oder Amphibien könnte man als r-Strategen bezeichnen, weil sie Hunderte oder sogar Tausende von Eiern legen.

Beispiele für K-Strategen sind die höheren Säugetiere. Den Elefanten haben wir schon oben genannt, aber auch die meisten Raubtiere, Bären, Pferde, Rinder und so weiter können zu den K-Strategen gerechnet werden, und natürlich die Primaten und schließlich der Mensch.

Problem der Abgrenzung

Es ist nicht immer leicht, zu entscheiden, ob eine Tier- oder Pflanzenart ein r- oder ein K-Stratege ist. Vergleichen wir beispielsweise den Menschen und das Kaninchen. Der Mensch ist hier eindeutig der K-Stratege, das Kaninchen, das ja für seine hohe Fortpflanzungsrate berüchtigt ist ("sie vermehren sich wie die Karnickel") ist dann natürlich der r-Stratege.

Wenn wir nun aber Kaninchen und eine Fischart miteinander vergleichen, stellen wir plötzlich fest, dass das Kaninchen der K-Stratege und der Fisch der r-Stratege ist, denn der Fisch hat hundert mal mehr Nachkommen als das Kaninchen.

Was damit gesagt werden soll: Die Begriffe r-Strategie und K-Strategie sind immer relativ zu sehen. Ein Beispiel, das im Schulbuch "Linder" des Schroedel-Verlages abgedruckt sind, verdeutlicht dies sehr schön:

"Marienkäfer haben eine geringere Vermehrungsrate als Blattläuse, ihre Beutetiere, aber eine höhere als ihre Feinde, z. B. Vögel. Verglichen mit Blattläusen sind Marienkäfer K-Strategen, hinsichtlich der Vögel jedoch r-Strategen."

Aus Linder, Biologie Oberstufe, Schroedel-Verlag 2010