Helmichs Chemie-Lexikon

Massendefekt

Warum haben Reinelemente "krumme" Atommassen? Natrium ist ein solches Reinelement, es gibt also nur ein stabiles und natürliches Isotop des Elementes Natrium, nämlich $^{23}_{11}Na$. Man sollte also erwarten, dass die Atommasse dieses Isotops den Wert 23,000 hat. Das ist aber nicht der Fall. Dieses Natrium-Isotop hat die Atommasse 22,98976928 u [3].

Ein weiterer interessanter Sachverhalt ist folgender: Die mittlere relative Atommasse von Sauerstoff ist 15,879. Das leichteste Sauerstoff-Isotop ist aber $^{16}_{08}O$. Es gibt ein paar schwerere Sauerstoff-Isotope, aber kein leichteres. Wie kommt dann die "durchschnittliche" Atommasse von 15,879 zustande?

Massendefekt

Eine Erklärung für die "krumme" Atommasse von Reinelementen liefert der sogenannte Massendefekt. Die Kernteilchen im Atomkern eines Elementes (Protonen und Neutronen) ziehen sich bekanntlich ziemlich stark an. Nach Einsteins berühmter Formel $E = mc^{2}$ besteht aber eine Äquivalenz zwischen Masse und Energie.

Die starken Kernkräfte innerhalb des Atomkerns - also die Anziehungskräfte zwischen den Nucleonen (Protonen und Neutronen) sind für den Massendefekt verantwortlich. Diese großen Anziehungskräfte innerhalb des Atomkerns "verbrauchen" - einfach ausgedrückt - einen winzigen Teil der Masse der Protonen und Neutronen, und daher hat das $^{23}_{11}Na$-Isotop nicht die Atommasse 23,0000, sondern die Atommasse 22,9899 (gerundet).

Beispiel Helium

Ein Proton hat eine Masse von m(Proton) = 1,0073 u, und ein Neutron hat eine Masse von m(Neutron) = 1,0087 u. Somit müsste der Helium-Kern eigentlich eine Masse von 4,032 u haben. Tatsächlich kann man aber nur eine Masse von 4,0015 u messen. Es fehlen also 0,0305 u, die auf den Massendefekt zurückzuführen sind.

Dieser fehlenden Masse kann man nun nach Einstein eine Energie zuordnen:

$E = mc^{2}$

In dem alten Christen [5] kann man nun folgende Rechnung finden:

$E = 0,0305 * (3 * 10^{10}\frac{cm}{sec})^{2} = 28,5 MeV$

Dieser hohe Energiebetrag entspricht den starken Anziehungskräften im Atomkern des Helium-Atoms.

Neben diesem Massendefekt im Atomkern gibt es einen zweiten Massendefekt, der aber die Atommasse so gut wie nicht mehr beeinflusst. Die Atommasse ist ein klein wenig geringer als die Summe aus der Masse des Atomkerns (um den Massendefekt bereinigt) und der Masse der umgebenden Elektronen. Auch hier spielen ja Anziehungskräfte eine Rolle, allerdings können diese vernachlässigt werden, wenn man sie mit den Anziehungskräften im Innern des Atomkerns vergleicht.

Quellen:

  1. Holleman, Wiberg, Lehrbuch der Anorganischen Chemie, 102. Auflage 2007 Berlin.
  2. Wikipedia, Artikel "Atommasse"
  3. Wikipedia, Artikel "Natrium"
  4. Wikipedia, Artikel "Massendefekt"
  5. Christen, Grundlagen der allgemeinen und anorganischen Chemie, Frankfurt 1976.