Eine Eukaryotenzelle besteht im Schnitt zu 80 bis 85% aus Wasser. Wasser ist nicht nur ein wichtiges Strukturelement der Zellen, sondern spielt auch als Lösemittel und als Transportmittel eine wichtige Rolle. Auch bei vielen in der Zelle ablaufenden Reaktionen spielt Wasser eine Rolle als Edukt oder Produkt. Bei Hydrolysen beispielsweise werden organische Makromoleküle (Eiweiße, Polysaccharide etc.) mit Hilfe von Wasser in ihre Bausteine zerlegt (Aminosäuren, Monosaccharide), und bei Kondensationsreaktionen (wenn sich die Bausteine von Makromolekülen zusammenschließen) wird Wasser als Nebenprodukt freigesetzt. Bei der Oxidation von Kohlenhydraten entsteht Wasser ebenfalls als Nebenprodukt. Für manche Wüstentiere ist dies sogar essentiell, das Oxidationswasser stellt oft die einzige Quelle von Wasser dar. Auch unter evolutionsbiologischen Aspekten ist Wasser essentiell für das Leben auf der Erde. Alles Leben ist im Wasser entstanden, Themen wie "Der Landgang der Wirbeltiere" oder "Die Eroberung des Landes durch die Pflanzen" ist Thema jeden Biologie-Unterrichts.
Beschäftigen wir uns zunächst mit dem Aufbau des Wasser-Moleküls.
Aufbau des H2O-Moleküls
Bekanntlich besteht Wasser aus Wasserstoff (H) und Sauerstoff (O), und zwar verbindet sich ein O-Atom kovalent, also über eine Elektronenpaarbindung, mit zwei H-Atomen, so wie auf der folgenden Abbildung gezeigt:

Die Struktur des Wasser-Moleküls
Autor: Ulrich Helmich 2021, Lizenz: siehe Seitenende
Die Bindungselektronen sowie die freien Elektronen sind hier als kleine blaue Kügelchen zu sehen, die Elektronenwolken (Kugelwolken, Orbitale) wurden hellblau dargestellt. Der Bindungsabstand zwischen dem O-Atom und den H-Atomen beträgt 96,5 pm, und der Bindungswinkel H-O-H beläuft sich auf 104,5 Grad (Daten aus [2]).
Eigentlich sollte der Bindungswinkel 109,5 Grad betragen (Winkel eines perfekten Tetraeders), aber am Sauerstoff-Atom sitzen noch zwei freie Elektronenpaare, und die negativen Ladungen dieser Elektronenpaare drücken die Elektronenpaare der kovalenten O-H-Bindungen etwas zusammen, so dass sich der Bindungswinkel von 109,5 Grad auf 104,5 Grad verkleinert.
Die Winzigkeit eines Wasser-Moleküls
Wie klein ein Wasser-Molekül ist, kann man sich folgendermaßen klar machen: In 3 ml Wasser befinden sich ungefähr 1023 Wasser-Moleküle! Das ist eine unvorstellbar große Menge.
Eine Rechenaufgabe für Experten und Expertinnen
Die gesamten Wasservorräte der Erde, also das Wasser aller Ozeane, Flüsse, Seen, Grundwasser etc. zusammen, belaufen sich auf ca. 1,4 Milliarden Kubikkilometer [1].
Wir wollen jetzt die 3 ml Wasser irgendwie markieren, zum Beispiel radioaktiv, und dann mit dem Wasser der Erde vermischen. Wie viele Wasser-Moleküle werden wir dann wohl in einem Liter dieses Erd-Wassers wiederfinden?
- In 1,4 * 109 km3 befinden sich dann 1023 markierte Wasser-Moleküle.
- Ein km3 entspricht 1000 x 1000 x 1000 m3, also 109 m3.
- Das heißt, 1,4 * 109 km3 entsprechen 1,4 * 1018 m3, und da ein Kubikmeter wiederum 1000 Liter enthält, also 103 Liter, entspricht das einer Menge von 1,4 * 1021 Litern.
- In diesen 1,4 * 1021 Litern Erd-Wasser sind also 1023 markierte Wasser-Moleküle enthalten. Wenn wir das jetzt durch 1021 kürzen, kommt man zu dem Ergebnis, dass in 1,4 Litern Erd-Wasser 102 markierte Moleküle enthalten sind, also 100. Und dabei haben wir nur 3 ml markiertes Wasser in den nächsten Fluss geschüttet.
Ich hoffe, ich habe mich bei diesem Beispiel jetzt nicht verrechnet. Sie können das ja gerne nachrechnen und mir mailen, falls ich mich verrechnet habe.
Wasser ist ein polares Molekül
Das Sauerstoff-Atom des Wasser-Moleküls ist mit zwei Wasserstoff-Atomen kovalent verbunden, also über eine normale Elektronenpaar-Bindung. Das O-Atom und das H-Atom teilen sich zwei Elektronen. Nun ist es aber so, dass das O-Atom die beiden Bindungselektronen etwas stärker anzieht als das H-Atom. Man sagt auch, das O-Atom hat eine höhere Elektronegativität als das H-Atom.
Die Folge dieses Elektronegativitäts-Unterschiedes ist eine polare kovalente Bindung. Die beiden Bindungselektronen sind nicht mehr gleichmäßig über die Bindung verteilt, sondern halten sich mit etwas höherer Wahrscheinlichkeit in der Nähe des O-Atoms auf, weil sie vom O-Atom etwas stärker angezogen werden als vom H-Atom. Graphisch drückt man diese Polarität der Bindung bzw. die Polarität des Wasser-Moleküls dann so aus:

Beschreibung
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In der rechten Darstellung ist der negative Pol des Wasser-Moleküls mit einem Minus-Symbol gekennzeichnet, die beiden positiven Pole mit einem Plus-Zeichen. Allerdings tragen die O- und H-Atome keine ganze negative bzw. positive Ladung, sondern eine sogenannte Teilladung oder Partialladung. Daher wird den Plus- und Minus-Symbolen der griechische Buchstabe delta δ vorangestellt. Dieser Buchstabe deutet an, dass es sich nur um eine Teilladung handelt.
Die Polarität der O-H-Bindung hat weitreichende Folgen für die Eigenschaften des Wassers und das Verhalten der Wasser-Moleküle. Wasser-Moleküle sind Dipole; so heißen Moleküle mit einem (leicht) positiven und einem (leicht) negativen Ende. Zwei Dipol-Moleküle können sich gegenseitig anziehen:

Vier Wasser-Moleküle ziehen sich gegenseitig an
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Das Bild zeigt einen Ausschnitt aus flüssigem Wasser. Dargestellt sind vier Wasser-Moleküle, die sich gegenseitig anziehen. Die leicht negativ geladenen O-Atome der Moleküle ziehen die leicht positiv geladenen H-Atome benachbarter Moleküle elektrostatisch an. Rechts oben sieht man eine vereinfachte Darstellung dieses Phänomens. Die Wasser-Moleküle sind als Dipole mit einem negativen (blau) und einem positiven (rot) Ende dargestellt.
Die Bindungen zwischen elektronegativen O-Atomen und H-Atomen, die ihrerseits an ein elektronegatives O-Atom gebunden sind, sind keine einfachen elektrostatischen Bindungen, sondern es handelt sich hier um viel stärkere Bindungen, die als Wasserstoffbrücken-Bindungen bezeichnet werden.
Kurzer Exkurs: Chemische Bindungen
In der Chemie unterscheidet man grundsätzlich starke und schwache chemische Bindungen. Die starken chemischen Bindungen sind die Ionenbindung wie zum Beispiel im Kochsalz, die kovalente Bindung wie beispielsweise im Methan-Molekül CH4, und die metallische Bindung wie im Natrium oder Aluminium. Die schwachen chemischen Bindungen sind - in der Reihenfolge zunehmender Stärke - die van-der-Waals-Bindungen, die Dipol-Dipol-Wechselwirkungen und die Wasserstoffbrücken-Bindungen.
Die Wasserstoffbrücken-Bindungen, oft nur als H-Brücken bezeichnet, sind sozusagen die "stärksten der schwachen" chemischen Bindungen.
Es wurde bereits angedeutet, die Bindungen zwischen zwei Wasser-Molekülen sind keine reinen Dipol-Dipol-Wechselwirkungen bzw. einfache elektrostatische Bindungen, sondern deutlich stärkere H-Brücken-Bindungen.
Chemischer Exkurs: Wasserstoffbrücken-Bindungen
Schauen wir uns dazu mal folgendes Bild an:

Zwei Wasser-Moleküle sind durch eine Wasserstoffbrücke miteinander verbunden
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Warum ist die H-Brücke stärker als eine reine elektrostatische Wechselwirkung?
Das positiv polarisierte H-Atom des "oberen" Wasser-Moleküls und das negativ polarisierte O-Atom des "unteren" Moleküle ziehen sich nicht nur elektrostatisch an. Achten Sie auf das freie Elektronenpaar des "unteren" Moleküls. Es hat Kontakt aufgenommen mit dem H-Atom des oberen Moleküls. Die Elektronenwolke (Kugelwolke, Orbital) ist jetzt aber recht langgestreckt, das heißt, die Elektronendichte innerhalb dieser Wolke hat abgenommen. Daher handelt es sich bei dieser Bindung nicht um eine echte kovalente Bindung, sondern um etwas Schwächeres. Die Bindungsenergie der H-Brücke beträgt nur 23 kJ/mol, während die Bindungsenergie einer normalen O-H-Bindung 470 kJ/mol beträgt, also mehr als das 20fache. Der kovalente Anteil einer H-Brücke beträgt ungefähr 10% [2].
Die Wasserstoffbrücken-Bindung ist also eine schwache chemische Bindung, besitzt aber einen gewissen kovalenten Anteil. Daher ist die H-Brücken-Bindung die stärkste der schwachen chemischen Bindungen.
Weitere Informationen zu diesem Thema finden Sie auf der Seite im Chemie-Lexikon.
Konsequenzen für Lebewesen
Für Lebewesen hat diese Polarität der O-H-Bindung und die daraus resultierende Polarität des Wasser-Moleküls wichtige Konsequenzen. Dadurch, dass sich Wasser-Moleküle gegenseitig anziehen können, hat Wasser ganz spezielle Eigenschaften. Es hat zum Beispiel eine hohe Oberflächenspannung. Die Wasser-Moleküle bilden ein Netzwerk, das tragende Eigenschaften hat. Obwohl eine aus Metall bestehende Stecknadel eine viel größere Dichte hat als Wasser, schwimmt sie auf der Wasseroberfläche, wenn man sie vorsichtig auf eine ruhige Wasseroberfläche legt. Diese Oberflächenspannung nutzen viele wasserlebende Kleintiere aus, zum Beispiel Wasserläufer, Wasserwanzen etc. Diese Tiere können auf dem Wasser eines Sees oder einer Pfütze laufen, als wäre das nichts Besonderes.
Auf die Polarität des Wasser-Moleküls und die Bildung von H-Brücken ist auch die sogenannte Dichteanomalie des Wasser zurückzuführen. Normale Stoffe haben im festen Zustand eine höhere Dichte als im flüssigen Zustand. Gibt man beispielsweise ein Stück festes Eisen in eine Eisenschmelze, so sinkt das feste Eisen sofort ein. Nicht so bei Wasser und Eis. Eis schwimmt bekanntlich oben auf dem Wasser, weil es eine geringere Dichte hat als flüssiges Wasser. Das ist für die Fische, Insekten und anderen Tiere gut, die in einem See leben. Im Winter friert der See nämlich von oben nach unten zu. Da flüssiges Wasser eine höhere Dichte hat als Eis, ist unten im See auch im kältesten Winter immer noch flüssiges Wasser anzufinden, in dem die Tiere überwintern können. Vorausgesetzt, der See ist hinreichend tief. In flachen Gewässern kann es durchaus passieren, dass komplett alles zufriert.
Quellen:
- "So viel Wasser gibt es auf der Erde" auf www.quarks.de
- Nelson, Cox. LEHNINGER Principles of Biochemistry. Macmillan Learning, New York 2021.
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