Helmichs Biologie-Lexikon

Golgi-Apparat

"Müsste man die Funktion des Golgi-Apparates mit einem Begriff aus unserer Alltagssprache kennzeichnen, so böte sich 'Verschiebebahnhof' an."

Mit diesem schönen Satz fängt das Kapitel "Der Golgi-Apparat" des Zellbiologie-Buches von H. Plattner an [5]

Unter dem Begriff "Golgi-Apparat" versteht man die Gesamtheit aller Dictyosomen einer Zelle. Ein Dictyosom ist ein Stapel von Zisternen, wie in der nächsten Abbildung dargestellt.

Golgi-Apparate kommen in fast allen eukaryotischen Zellen vor. Ausnahmen sind zum Beispiel die roten Blutkörperchen der Säugetiere. Die Anzahl der Dictyosomen beträgt normalerweise 1 - 20 pro Zelle, kann aber in einigen Drüsen- oder Nervenzellen größer als 1000 sein [2].

Ein Dictyosom des Golgi-Apparates mit ein paar Golgi-Vesikeln

Ein Dictyosom des Golgi-Apparates mit ein paar Golgi-Vesikeln
Autor: Ulrich Helmich 1978, Lizenz: siehe Seitenende.

Struktur

Genau wie das endoplasmatische Reticulum ist auch der Golgi-Apparat ein reines Membrangebilde und unterscheidet sich dadurch von den größeren Zellorganellen. Jedes Dictyosom besteht aus mehreren gekrümmten Zisternen, im Grunde sind das "membranumhüllte Säcke" [5]. Ein anderer Autor meint, das die Golgi-Membranstapel wie "aufgeschichtetes Fladenbrot" aussehen [1].

Die Zisternen werden von einer 7,5 nm dicken Biomembran begrenzt. Der Durchmesser einer Zisterne beträgt 1000 bis 3000 nm. Ein Dictyosom besteht aus vier bis sechs solcher Zisternen, bei manchen Einzellern sogar aus bis zu 20 Zisternen[4, 6]. Die Breite einer Zisterne liegt bei 20 nm. An den Rändern der Zisternen schnüren sich oft Vesikel mit einem Durchmesser von ca. 70 nm ab [2]. Diese Vesikel nennt man Golgi-Vesikel.

Funktion

Aufgaben

Der Golgi-Apparat stellt eine Hauptquelle für Membran-Material dar (neben dem endoplasmatischen Reticulum, von dem er selbst Membranmaterial in Form von ER-Vesikeln erhält). Die vom Golgi-Apparat abgeschnürten Vesikel können zur Zellmembran wandern und mir ihr verschmelzen. Dabei können gleichzeitig Inhaltsstoffe, zum Beispiel Sekrete, nach außen geschleust werden (Exocytose).

Plattner [5] unterscheidet bei dieser Exocytose zwischen der konstitutiven und der getriggerten Exocytose. Die konstitutive Exocytose ist die "normale", recht langsam verlaufende Exocytose, wie sie beispielsweise bei der Exkretion von Hormonen stattfindet. Die getriggerte Exocytose ist eine extrem schnelle Exocytose, wie man sie von der Freisetzung von Neurotransmittern in synaptischen Endknöpfchen kennt, wo innerhalb von Sekundenbruchteilen plötzlich Tausende von Vesikeln mit der präsynaptischen Membran verschmelzen.

Exocytose

Auf dieser Lexikon-Seite wird der Vorgang der Exocytose eingehender beleuchtet.

Bestimmte Golgi-Vesikel schlagen auch einen dritten wichtigen Weg ein, sie werden nämlich zu Lysosomen. Das sind mit Verdauungsenzymen vollgepackte Vesikel, die zum Beispiel mit den Phagocytose-Vesikeln verschmelzen und deren Inhalt dann zersetzen. Phagocytose-Vesikel entstehen durch Einschnürung der Zellmembran und Abschnürung der so entstandenen Vesikel nach innen; man spricht hier auch von einer Endocytose (Umkehrung der Exocytose) [2].

Ein vierter Weg, den die Golgi-Vesikel nehmen können, ist zurück zum Endoplasmatischen Reticulum. Durch solche salvage-Vesikel ("salvage" = Rettung) erhält das ER wichtige Proteine zurück, die es selbst benötigt [5].

Membranfluss vom ER zum Golgi-Apparat zur Zellmembran

Membranfluss vom ER zum Golgi-Apparat zur Zellmembran

Modifikation von Proteinen und Lipiden

In der Abbildung sieht man den Membranfluss einer eukaryotischen Zelle. Vom ER werden Versikel abgeschnürt, die mit Inhaltsstoffen gefüllt sind. Diese ER-Versikel verschmelzen dann mit der cis-Seite eines Dictyosoms. Innerhalb dieser Golgi-Zisterne werden die Inhaltsstoffe dann weiterverarbeitet. Viele Lipide und Proteine, die vom ER in den Golgi-Apparat transportiert wurden, werden in den Golgi-Zisternen zum Beispiel glycolysiert, das heißt mit zusätzlichen Monosacchariden oder kurzen Oligosacchariden ausgestattet, so dass Glycolipide und Glycoproteine entstehen [5]. Bei der Glycolysierung der Proteine kann man hier also von einer posttranslationalen Modifikation sprechen (d.h. die Proteine werden nach der Translation verändert).

Oligosaccharid-Prozessierung

Für die Experten unter Ihnen gibt es eine eigene Lexikon-Seite, auf der beschrieben wird, die die Glycoproteine in den Golgi-Zisternen nach und nach modifiziert werden.

Im Golgi-Apparat werden nicht nur Oligosaccharidketten von Glycoproteinen und Glyolipiden modifiziert, sondern es werden auch Zucker an die OH-Gruppen von Serin- oder Threoninresten angehängt, also an die Proteine selbst.

Transportwege cis -> Trans

Inzwischen ist aufgeklärt, wie der Transport der Inhaltsstoffe von einer Zisterne zur nächsten erfolgt. Es gibt hier zwei Wege.

Beschreibung siehe folgenden Text

Modernere Darstellung eines Dictyosoms [4]
Autor: Ulrich Helmich, Lizenz: siehe Seitenende

Zisternenreifungsmodell

Nach dem Zisternenreifungsmodell wandern die Zisternen selbst von der cis-Seite zur trans-Seite. Auf der trans-Seite wird eine solche Zisterne dann langsam "aufgelöst", es schnüren sich immer mehr Golgi-Vesikel von der Zisterne ab, die so zu einem Netzwerk wird, dem trans-Golgi-Netzwerk. Auf der cis-Seite dagegen setzen sich immer wieder neue ER-Vesikel an das dort vorhandene cis-Golgi-Netzwerk [6].

Man spricht hier von einem Reifungsvorgang der Zisternen. Dieser Vorgang wird in der Abbildung durch die gelben Pfeile dargestellt.

Vesikeltransportmodell

Nach einer alternativen Hypothese schnüren die Zisternen an ihren Enden Vesikel ab, die mit der in trans-Richtung benachbarten Zisterne verschmelzen [4]. Dieser Vorgang wird durch den roten Pfeil exemplarisch dargestellt. Umgekehrt gibt es auch einen Vesikelfluss in der trans-cis-Richtung, durch den grünen Pfeil symbolisiert.

Beide Modelle sind wahrscheinlich

Welches Modell nun zutrifft, kann noch nicht endgültig geklärt werden. Experimentelle Befunde unterstützen beide Modelle. Wahrscheinlich ist es so, dass auch beide Modelle zutreffen, sie widersprechen sich nicht. Die Zisternen können nach und nach reifen, gleichzeitig können aber auch Vesikel von Zisterne zu Zisterne wandern, und zwar in beide Richtungen [6].

Bei einem Experiment hat man bestimmte Enyzme der Zisternen mit fluoreszenzmarkierten Antikörpern versehen. Dabei hat man für jedes Enzym eine andere Farbmarkierung gewählt. Man konnte dann beobachten, wie sich die Farbe einer Zisterne im Laufe der Zeit veränderte. Das lässt darauf schließen, dass sich die Enzymausstattung der Zisterne nach und nach änderte.

Auf der trans-Seite werden die veränderten Inhaltsstoffe auf jeden Fall in Golgi-Vesikel verpackt, die dann abgeschnürt werden. Diese Vesikel wandern dann zur Zellmembran, wo sie mit ihr verschmelzen und dabei ihre Inhaltsstoffe nach außen abgeben (Exocytose), oder sie werden zu Lysosomen.

Membranfluss in der Zelle

Auf dieser Seite wird der Membranfluss innerhalb der Zelle noch einmal sehr ausführlich erläutert.

Zellwandbildung

Für die Pflanzenzelle sind Dictyosomen deshalb so wichtig, weil in ihnen wichtige Bestandteile der Zellwand angereichert werden. Die Golgi-Vesikel wandern dann zur Plasmamembran und entleeren ihren Inhalt nach außen, wo er in die Zellwand eingebaut wird.

Quellen:

  1. Campbell, Biologie gymnasiale Oberstufe, Hallbergmoos 2011.
  2. Mitschrift einer Vorlesung "Allgemeine Biologie" von Prof. Heckmann, Münster.
  3. Urry, Cain, Wassermann, Minorsky, Reece. Campbell Biologie, Hallbergmoos 2019, 11.Auflage.
  4. Alberts, Bruce et al. Lehrbuch der Molekularen Zellbiologie, 5. Auflage, Weinheim 2021.
  5. Plattner, Hentschel. Zellbiologie, 5. Auflage. Stuttgart 2017.
  6. Alberts, Bruce et al. Molekularbiologie der Zelle, 6. Auflage, Weinheim 2017.