Neben den "üblichen" Membranlipiden, wie sie teils schon in jedem Oberstufen-Biologiebuch stehen, gibt es eine Reihe ungewöhnlich aussehender Verbindungen, die Lipid-Eigenschaften haben und in biologischen Membranen vorkommen.
Jeder, der im Oberstufen-Chemieunterricht schon mal eine Ester-Hydrolyse durchgeführt oder gesehen hat, weiß, wie leicht es ist, eine Ester-Bindung aufzuspalten. Man braucht nur eine Säure als Katalysator und etwas Wärme, um die Sache zu beschleunigen. Und natürlich Wasser für die Hydrolyse. Schon erhält man aus dem Ester wieder die ursprüngliche Säure und den Alkohol (siehe Abbildung 2).
Es gibt nun Prokaryoten, die in extrem heißen Biotopen leben. Solche Prokaryoten werden als thermophil (Wärme liebend) bezeichnet. Man findet sie in heißen Quellen zum Beispiel im Yellowstone Nationalpark, bei Temperaturen von über 80 ºC.
Ein Geysir imYellowstone National Park, Wyoming, USA
Opal_Pool_YNP2.jpg: Acroterionderivative work: Gaendalf, CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons
Eine normale Ester-Bindung, wie sie in den normalen Membranlipiden ja die Regel ist, würde bei solchen Temperaturen sofort gespalten werden. Daher haben thermophile Archaeen Membranlipide, die statt Ester-Bindungen die viel stabileren Ether-Bindungen enthalten.
Ester- und Etherbindungen
Ester-Bindungen lassen sich viel leichter durch Wärme oder Säuren aufspalten als Ether-Bindungen
Autor: Ulrich Helmich 2021, Lizenz: siehe Seitenende
Oben sehen wir die allgemeine Formel eines Carbonsäure-Esters. Unter Zugabe von Wasser kann man die Esterbindung durch Wärme oder Säure auflösen (hydrolysieren). Es werden dann die Carbonsäure und der Alkohol freigesetzt, aus denen der Ester zusammengesetzt war. Eine Ester-Bindung ist meistens recht leicht spaltbar.
Unten in der Abbildung sehen wir die allgemeine Formel eines Ethers. Bei einem Ether sind zwei Alkohole miteinander über ein O-Atom verbunden. Bei der Reaktion haben die beiden Alkohole ein Wasser-Moleküle abgegeben. Eine solche Ether-Bindung ist viel stabiler als eine Ester-Bindung. Durch Zugabe von Wasser und Wärme bzw. Säure passiert in der Regel nichts, keine Hydrolyse, keine Spaltung der Ether-Bindung also.
Dies ist der Grund, warum die Membranlipide von Archaeen häufig Ether-Bindungen besitzen und nicht Ester-Bindungen, wie die Membranlipide der Eukaryoten.
Das heißt aber, dass das Glycerin nicht mehr mit einer Fettsäure verbunden sein kann, dann würde sich ja wieder ein Ester bilden. Statt mit Fettsäuren ist das Glycerin in Archaeen mit langkettigen Alkoholen verbunden.
Ein Phospholipid, wie es in Archaeen vorkommen könnte
Autor: Ulrich Helmich, frei nach einer Abbildung aus [2], Lizenz: siehe Seitenende
Hier sehen wir ein Phospholipid, wie es in einer Archaeen-Membran vorkommen könnte. Neben den beiden Etherbindungen fällt noch eine Besonderheit auf: Die Alkylketten können Verzweigungen enthalten. Auch das erhöht offensichtlich die thermische Stabilität des Membranlipids.
Aber es kommt noch interessanter; betrachten wir mal das folgende Membranlipid:
Ein weiteres Phospholipid, wie es in Archaeen vorkommen könnte
Autor: Ulrich Helmich, nach einer Abbildung aus [2], Lizenz: siehe Seitenende
Was sehen wir denn hier? Die beiden gelb unterlegten langkettigen und verzweigten Diole (Alkohole mit zwei OH-Gruppen) sind mit zwei Glycerin-Molekülen verbunden, auf jeder Seite mit einem. Auch solche Lipide kommen in der Membran von thermophilen Archaeen vor. Die Lipid-Doppelschicht besteht hier dann nicht mehr aus zwei monomolekularen Lagen von Lipiden, sondern nur noch aus einer einzigen Schicht solcher "Doppel-Lipide". Das ist natürlich viel stabiler als ein Gebilde aus zwei locker miteinander verbundenen Mono-Layern. In einer normalen Membran werden die beiden Lipid-Monolayer ja nur durch die extrem schwachen van der Waals-Bindungen zusammengehalten. Bei der Archaeen-Membran sind jedoch starke kovalente Bindungen für den Zusammenhalt verantwortlich.
Ich will jetzt nicht den ganzen Artikel von Koga und Morii wiedergeben, möchte aber erwähnen, dass es noch viel "exotischere" Membranlipide bei Archaeen gibt als die beiden hier abgebildeten. Zum Beispiel Lipide, die in ihren Alkylketten Ringe aus fünf oder sechs C-Atomen enthalten:
Crenarchaeol, ein komplexer Tetraether aus einer Archaeen-Membran
Quelle: [3], Autor: Charlesy, Lizenz: public domain
Crenarchaeol ist wohl eines der ungewöhnlichsten Lipide überhaupt [3]. Zusammen mit dem Lipid Archaeol macht es den Hauptanteil der Lipid-Doppelschicht von bestimmten Archaeen aus.
Das Membranlipid ist im Prinzip ähnlich aufgebaut wie das Molekül im zweiten Beispiel, es handelt sich also wieder um ein "Doppellipid". Links und rechts befinden sich die beiden Glycerin-Moleküle, allerdings finden wir hier keine Phosphat-Gruppen und auch keine Cholin-Reste, das Lipid ist also kein Phospholipid.
Die jeweils erste OH-Gruppe der beiden Glycerin-Moleküle ist nicht verestert, die beiden anderen OH-Gruppen bilder Ether-Bindungen zu sehr exotischen langkettigen zweiwertigen Alkoholen aus, die teils verzweigt sind, teils Kohlenstoff-Ringe in sich tragen.
Quellen:
- Stillwell, William. An Introduction to Biological Membranes. Elsevier Science 2016.
- Koga Y., Morii H., Recent Advances in Structural Research on Ether Lipids from Archaea Including Comparative and Physiological Aspects. Biosci. Biotechnool. Biochem., 69 (2005).
- Crenarchaeol (engl. Wikipedia).
- Nelson, Cox. LEHNINGER Principles of Biochemistry. Macmillan Learning, New York 2021.