Helmichs Biologie-Lexikon

Variabilität, genetische

Dieser Begriff ist sowohl für die Genetik wie auch für die Evolutionsbiologie wichtig!

Die Tatsache, dass sich die Individuen einer Population voneinander unterscheiden, bezeichnet man in der Biologie als Variabilität.

Die genetische Variabilität hat vier Ursachen, die im Folgenden näher erläutert werden:

  1. Rekombinationen
  2. Mutationen
  3. Gendrift
  4. Horizontaler Gentransfer

Rekombinationen TOP

Bei der sexuellen Fortpflanzung werden die Gene der Eltern neu gemischt, und zwar auf vier verschiedenen Ebenen.

  1. Bei der Meiose findet die Paarung der homologen Chromosomen statt. Hier hängt es vom Zufall ab, auf welcher Seite der Teilungsebene das jeweils väterliche oder mütterliche Chromosom liegt.
  2. Durch Crossing-Over, dem Austausch von Chromosomenbruchstücken während der Paarung der homologen Chromosomen, wird diese Rekombination noch verstärkt.
  3. Bei der Befruchtung hängt es vom Zufall ab, welche der vielen Samenzellen sich mit der Eizelle vereinigt.
  4. Bei manchen Arten kommt eine vierte Ebene der Rekombination hinzu, nämlich die Wahl des Fortpflanzungspartners. Auch hier kann der Zufall eine entscheidende Rolle dabei spielen, welche Gene miteinander vermischt werden.

Einzelheiten siehe Seite "Rekombinationen"

Mutationen TOP

Die genetische Variabilität einer Population wird zwar hauptsächlich durch Rekombinationsprozesse verursacht, aber wirklich neue Allele und somit neue Merkmale können durch Rekombinationen nicht entstehen. Durch Rekombinationsprozesse werden lediglich die bereits vorhandenen verschiedenen Allele gründlich "durchmischt". Neue Allele und damit neue Merkmale können nur durch Veränderungen der Basensequenz eines Gens entstehen, also durch spontane und zufällige Mutationen.

Einzelheiten siehe Seite "Mutationen"

Gendrift TOP

Gerade bei kleinen Populationen gibt es immer wieder Umstände, bei denen ein Teil der Population stirbt, während ein anderer Teil überlebt. Bei einer Naturkatastrophe, zum Beispiel einer Überschwemmung oder einem Orkan, sterben sowohl gut an die Umwelt angepasste Individuen wie auch weniger gut angepasste Tiere oder Pflanzen; es hängt weniger von dem Grad der Anpassung als vielmehr vom Zufall ab, wer überlebt. Dieses Phänomen wird in der Fachliteratur als Gendrift bezeichnet.

Einzelheiten siehe Seite "Gendrift"

Horizontaler Gentransfer TOP

Bei Bakterien können Individuen untereinander Gene austauschen, die zum Beispiel Resistenz gegenüber bestimmte Antibiotika verleihen. Dieser horizontale Gentransfer findet mit Hilfe von Plasmiden statt.

Ob auch bei höheren Organismen ein solcher Gentransfer stattfindet, ist noch nicht ganz geklärt. Zumindest bei Pflanzen hat man Beispiele für einen horizontalen Gentransfer gefunden, allerdings nicht zwischen zwei Pflanzen, sondern von einem Bakterium auf eine Pflanze.

Auch von manchen Viren nimmt man an, dass sie genetisches Material in das Genom von Pflanzen, Tieren und Menschen einbringen bzw. in der Vergangenheit eingebracht haben.

Einzelheiten siehe Seite "Horizontaler Gentransfer"

Genetische Variabilität TOP

Hauptursache für die genotypische Variabilität sind Rekombinationen; sie treten bei jedem sexuellen Fortpflanzungsakt auf. Allerdings können Rekombinationen keine neuen Allele oder gar Gene erzeugen. Es werden nur die bereits in der Population vorhandenen Allele neu verteilt.

Mutationen, vor allem vorteilhafte Mutationen, treten sehr viel seltener auf. Allerdings sind sie die einzige Quelle evolutiver Neuerungen. Nur durch Mutation eines vorhandenen Gens können neue Allele entstehen. Und nur durch Duplikation eines Gens können neue Gene entstehen, die dann unabhängig von dem Muttergen mutieren können.

Gendrift spielt hauptsächlich bei kleinen Populationen oder so genannten Gründerpopulationen eine Rolle, und horizontaler Gentransfer bei höheren Organismen ist noch sehr umstritten.