Biologie > Neurobiologie > Sinne > Optischer Sinn

Farbensehen

Physikalische Grundlagen

Additive Farbmischung

Haben Sie schon einmal mit einer starken Lupe einen Monitor oder einen Fernsehbildschirm untersucht? Das Ergebnis könnte dann so aussehen:

Vergrößerung einer RGB-Anzeige, zum Beispiel eines Monitors
Autor: Ulrich Helmich 2017, Lizenz: siehe Seitenende.

Sie müssen die Lupe natürlich auf eine weiße Stelle des Monitors halten. Was Sie dann sehen, sind die Pixel. Jeder Farbmonitor, egal wie groß er auch ist, erzeugt sein Bild mit Hilfe von drei verschiedenen Pixeltypen, nämlich roten Pixeln, grünen Pixeln und blauen Pixeln. Die Computerfachleute sprechen hier auch von einem RGB-System (RGB = Rot, Grün, Blau).

Wenn der Monitor einen weißen Punkt, ein weißes Rechteck oder eine weiße Fläche erzeugen soll, leuchten alle drei Pixelsorten mit der gleichen Lichtintensität auf. Unserem Auge erscheint dies dann als Weiß.

Für Profis: Die technische Seite

Tauchen wir noch kurz ein in die Welt der LCD-, TFT- und LED-Monitore und ihre Farbwiedergabe. Diese innovativen Technologien haben die Art und Weise, wie wir visuelle Inhalte genießen, revolutioniert. Ob Sie sich etwas Neues zulegen oder gebrauchte Monitore kaufen: Die Kombination von LCD-, TFT- und LED-Technologien hat zu fortschrittlichen Displays geführt, die eine beeindruckende Bildqualität, gestochen scharfe Details und lebendige Farben bieten. Es gibt kaum noch Geräte auf dem Markt, die diese Technologien noch nicht nutzen. Werfen wir daher einen Blick auf ihre Funktionsweise.

  • LCD steht für "Liquid Crystal Display" und beschreibt eine Technologie, die auf Flüssigkristallen basiert. Flüssigkristalle vereinen die Eigenschaften von Flüssigkeiten und fester Materie. LCD-Monitore bestehen aus einer Schicht dieser Flüssigkristalle, die zwischen zwei polarisierten Glasplatten eingeschlossen sind. Die Flüssigkristalle haben die Eigenschaft, die Lichtdurchlässigkeit zu ändern, wenn eine elektrische Spannung angelegt wird. Durch die Veränderung der Ausrichtung der Flüssigkristalle in den einzelnen Pixeln kann die Intensität des durchgelassenen Lichts gesteuert werden, was zu verschiedenen Farben und Helligkeitsstufen führt.

  • TFT ist die Abkürzung für "Thin Film Transistor". Ein TFT-Display ist ein farbiges LCD mit Treiber für jedes einzelne Pixel direkt auf dem Glas. Diese Treiber werden auch Transistoren genannt und wirken als Schalter. Dadurch kann jedes Pixel individuell angesteuert werden, was zu einer gestochen scharfen Bildqualität und einer schnellen Reaktionszeit führt. Um die gewünschte Farbvielfalt zu erreichen, verwenden TFT- und LCD-Monitore eine Kombination aus drei Grundfarben: Rot, Grün und Blau. Jeder einzelne Pixel auf dem Bildschirm besteht aus winzigen Subpixeln, die jeweils eine dieser Grundfarben repräsentieren. Durch die unterschiedliche Intensität der subpixelweisen Beleuchtung können Millionen von Farbtönen erzeugt werden. Das Ganze wird hier sehr gut erläutert.

  • LED bedeutet "Light Emitting Diode" und bezieht sich in diesem Fall auf die Hintergrundbeleuchtung von LCD- und TFT-Monitoren. Traditionell wurden LCD-Monitore mit CCFL (Cold Cathode Fluorescent Lamp) als Hintergrundbeleuchtung betrieben. In modernen Monitoren werden jedoch häufig LEDs verwendet, denn diese sind kleine Lichtquellen, die hohe Helligkeit und Energieeffizienz bieten. Durch die Verwendung von LEDs als Hintergrundbeleuchtung können dünnere Monitore hergestellt werden und die Farbwiedergabe verbessert sich.
Zum RGB-Farbsystem

Wenn Sie schon mal öfters mit Photoshop oder einer anderen Graphiksoftware gearbeitet haben, kennen Sie sich mit dem RGB-System bereits einigermaßen aus. Betrachten wir dazu doch einmal den Farbwähler von Photoshop CS 4.

Farbwähler von Photoshop

Mit dem Photoshop-Farbwähler wurde die Farbe Dunkelgrün eingestellt.
Autor: Ulrich Helmich 2022, Lizenz: siehe Seitenende.

Hier versucht gerade jemand, die Farbe Dunkelgrün einzustellen, vielleicht, weil er mit dem Pinsel einen grünen Strich zeichnen möchte.

Der Farbwähler besteht aus drei Schiebreglern, einen für Rot, einen für Grün und einen für Blau. Hier haben wir wieder das RGB-Farbsystem. Wenn alle drei Regler ganz links stehen, also auf 0, so haben wir Schwarz, sozusagen gar keine Farbe. Stehen alle Regler ganz rechts, also auf 255, so erhalten wir die "Farbe" Weiß.

Die Farben Grün und Blau erzeugen wir auf gleiche Weise, indem wir die Regler für Grün bzw. Blau auf 255 und die anderen Regler auf 0 stellen. Was passiert aber, wenn wir beispielsweise die Regler für Rot UND Grün auf 255 stellen? Probieren wir es aus.

Mit dem Photoshop-Farbwähler wurde die Farbe Gelb eingestellt.
Autor: Ulrich Helmich 2022, Lizenz: siehe Seitenende.

Das ist ja vielleicht eine Überraschung. Wir sehen nicht die Farbe Braun, wie ja vielleicht einige von Ihnen gedacht haben, sondern die Farbe Gelb. Wenn wir Rot und Grün auf dem Papier mischen, zum Beispiel Wasserfarben oder Ölfarben, dann erhalten wir tatsächlich die Farbe Braun. Das ist aber auch etwas völlig anderes. Wir mischen hier die Farben ja nicht auf dem Papier, sondern wir arbeiten mit selbstleuchtenden Pixeln. Und hier gelten die Grundprinzipien der additiven Farbmischung. Wenn eine Malerin ihre vier Grundfarben Rot, Grün, Gelb und Blau auf dem Papier zusammenmischt, haben wir es dagegen mit der subtraktiven Farbmischung zu tun.

Eine gelbe Stelle auf dem Monitor

Eine gelbe Stelle auf dem Monitor.
Autor: Ulrich Helmich 2017, Lizenz: siehe Seitenende.

So sieht es übrigens aus, wenn wir unsere Lupe auf eine gelbe Stelle des Monitors halten. Die Rotpixel und die Grünpixel leuchten mit maximaler Intensität auf, während die Blaupixel schwarz bleiben.

Pixel leuchten von selbst, sozusagen von innen heraus. Aber auch mit Diaprojektoren oder Beamern kann man spannende Experimente zur Farbmischung machen. Wenn wir drei Strahler haben, die weißes Licht projizieren, und dann vor den einen Strahler einen Rotfilter schrauben, vor den zweiten einen Grünfilter und vor den dritten einen Blaufilter, und dann alle drei Strahlen auf die gleiche Stelle einer Leinwand projizieren, dann erhalten wir folgendes Bild:

Farbmischung mit drei Strahlern

Farbmischung mit drei Strahlern.
Autor: Ulrich Helmich 2017, Lizenz: siehe Seitenende.

Dieser Effekt der additiven Farbmischung tritt also auch unabhängig von irgendwelchen Pixeln auf.

Das RGB-System des Menschen

Die entscheidende Frage ist nun aber: Wieso funktioniert die additive Farbmischung eigentlich? Wieso reichen die drei Grundfarben des RGB-Systems, Rot, Grün und Blau aus, um die Millionen oder gar Milliarden verschiedenen Farben eines schönen Farbphotos zu erzeugen. Wieso lässt sich das menschliche Gehirn derart leicht überlisten?

Drei Zapfentypen für Rot, Grün und Blau

Betrachten wir noch einmal die Photorezeptoren der menschlichen Netzhaut. Wir hatten gesagt, dass es a) die Stäbchen und b) die Zapfen gibt. Die Stäbchen sind für das Dämmerungssehen verantwortlich, die Zapfen für das Tages- und Farbsehen.

Es gibt drei Typen von Zapfen, die im Dunklen ständig Neurotransmitter ausschütten. Der erste Zapfentyp wird besonders leicht durch rotes Licht gehemmt (Photorezeptoren bilden ihre Neurotransmitter ja im Dunklen, während sie im Licht die Ausschüttung der Neurotransmitter einstellen). Der zweite Zapfentyp wird besonders leicht durch grünes Licht gehemmt, und der dritte Zapfentyp besonders leicht durch blaues Licht. Es gibt also - vereinfacht gesprochen - Rotzapfen, Grünzapfen und Blauzapfen, ganz im Sinne des RGB-Systems.

Die drei Zapfentypen sind völlig identisch aufgebaut, im Lichtmikroskop und auch im Elektronenmikroskop könnte man keinen Unterschied sehen. Aber wie unterscheiden sich die drei Zapfentypen dann?

Das Protein Opsin, das ja Bestandteil des Rhodopsins ist (Rhodopsin = Sehpurpur), ist in den drei Zapfentypen unterschiedlich. Tatsächlich gibt es sogar drei verschiedene Gene für die drei verschiedenen Opsine auf unserer DNA. Das Gen für das Blau-Opsin sitzt auf dem Chromosom Nr. 7, während die Gene für das Rot- und das Grün-Opsin auf dem X-Chromosom sitzen.

Interessanterweise sind die Gene für das Rot- und das Grün-Opsin sehr ähnlich, die Basensequenz stimmt zu 98% überein. Daher nimmt man an, dass beide Gene durch Genduplikation aus einem einzigen Vorläufergen entstanden sind, vermutlich vor Millionen von Jahren. Das Blau-Opsin unterscheidet sich wesentlich stärker von den Rot/Grün-Opsinen.

Die drei Zapfentypen absorbieren unterschiedliche Wellenlängen

Betrachten wir nun eine sehr wichtige Abbildung:

Absorptionsspektren der drei Opsin-Retinal-Komplexe

Absorptionsspektren der drei Opsin-Retinal-Komplexe
Autor: Ulrich Helmich 2017, Lizenz: siehe Seitenende.

Wir sehen hier die Absorptionsspektren der drei Opsin-Retinal-Komplexe. Sie erinnern sich: Das Licht wird nicht durch das Opsin selbst absorbiert, sondern durch die Retinal-Komponente, die mit dem Opsin assoziiert ist, genauer gesagt, durch das 11-cis-Retinal, welches durch Absorption von Licht zu all-trans-Retinal "umklappt" (siehe "Retinal-Retinol-Zyklus"). Der Einfachheit halber werde ich im laufenden Text nur noch von "Farbpigmenten" sprechen, wenn ich eigentlich die Opsin-Retinal-Komplexe meine.

Die Farbpigmente der Blauzapfen absorbieren Licht im Wellenlängenbereich zwischen 350 nm und 500 nm mit einem Absorptionsmaximum bei 424 nm. Die Farbpigmente der Rot- und Grünzapfen dagegen absorbieren Licht im Bereich zwischen 450 und 650 nm mit einem Absorptionsmaximum bei 530 bzw. 650 nm. Sie sehen also selbst, die Absorptionsspektren der Rot- und Grünzapfen unterscheiden sich nur geringfügig.

Was passiert nun, wenn blaues Licht der Wellenlänge 420 nm auf die Netzhaut unseres Auges fällt?

Nun, die Blauzapfen absorbieren dieses Licht sehr gut, es wird also jede Menge Transducin und Phosphodiesterase aktiviert, und dieses Enzym baut das cGMP, das im Dunklen die Natriumkanäle offen hält, ab. Die Natriumkanäle der Blauzapfen schließen sich fast ausnahmslos, und das Membranpotenzial sinkt auf -70 mV. Neurotransmitter werden von den Blauzapfen mit Sicherheit nicht mehr gebildet, so dass auch die mit den Blauzapfen verbundenen Bipolarzellen nicht mehr erregt werden (siehe "Sehprozess"). In der Folge werden auch die Bipolarzellen keine Neurotransmitter mehr ausschütten. Welche Folgen dies für die Ganglienzellen hat, die mit den Bipolarzellen verbunden sind, hängt vom Typ der Bipolarzelle ab; es gibt ja OFF- und ON-Bipolarzellen. Aber das ist jetzt nicht unser Problem, wir wollen ja über das Farbensehen sprechen und nicht über rezeptive Felder oder laterale Inhibition.

Bleiben wir bei der Frage, was passiert, wenn Licht der Wellenlänge 420 nm auf die Netzhaut fällt. Wie reagieren die Rotzapfen und die Grünzapfen? Wenn man das Absorptionsspektrum betrachtet, erkennt man, dass die Rotzapfen und die Grünzapfen gar nicht auf Licht dieser Wellenlänge reagieren, weil die Pigmente dieser Zapfentypen Licht dieser Wellenlänge nicht absorbieren. Das heißt, die Rot- und Grünzapfen produzieren weiter ihre Neurotransmitter, die entsprechenden Bipolarzellen sind weiterhin erregt und schütten ihrerseits hemmende (OFF-Bipolarzellen) oder erregende (ON-Bipolarzellen) Neurotransmitter aus.

Das Gehirn merkt nun (ich vereinfache die Sache jetzt wieder einmal sehr stark): "Aha, nur die Blauzapfen (und die Stäbchen) schicken mir Aktionspotenziale, von den Rot- und Grünzapfen kommt nichts an. Also werde ich wohl gerade die Farbe Blau sehen!".

Kommen wir nun wieder zurück auf unser Anfangsbeispiel mit dem Farbmonitor. Wenn jemand bei Photoshop den Blau-Regler auf 255 stellt, die Grün- und Rot-Regler dagegen auf Null, so leuchten nur die blauen Pixel des Monitors auf. Diese hell leuchtenden blauen Pixel erzeugen elektromagnetische Wellen mit einer Wellenlänge um die 420 nm, die jetzt von den Blauzapfen unserer Netzhaut absorbiert werden, worauf das Gehirn meint, die Farbe "Blau" zu sehen, weil ja die Grün- und die Rotzapfen keine gegenteilige Information melden.

Die Netzhaut wird mit Licht der Wellenlänge 380 bzw. 450 nm gereizt.

Die Netzhaut wird mit Licht der Wellenlänge 380 bzw. 450 nm gereizt.

Betrachten wir noch einmal die Abbildung mit den Absorptionsspektren der drei Zapfentypen. Welche Farbe glaubt das Gehirn zu sehen, wenn die Netzhaut mit Licht der Wellenlänge 380 nm gereizt wird?

Die Blauzapfen absorbieren dieses Licht, allerdings erreicht die Absorption nur ca. 75% des maximalen Wertes. Daraus kann das Gehirn nun "berechnen", dass Blau gesehen wird, das leicht ins Violett verschoben ist, also eine Art Blauviolett.

Aber jetzt könnte man einwenden: Wenn die Netzhaut mit Licht der Wellenlänge 450 nm gereizt wird, so wird dieses Licht ebenfalls von den Blauzapfen absorbiert, und auch wieder mit einer Rate von 75%.

Hätte die Netzhaut nur Blauzapfen, so könnte das Gehirn nicht unterscheiden zwischen dem Licht der Wellenlänge 380 und dem Licht der Wellenlänge 450. Beide Wellenlängen führen zu einer 75%igen Anregung der Blauzapfen.

Aber zum Glück sind da ja noch die Grünzapfen. Durch Licht der Wellenlänge 380 nm werden die Grünzapfen überhaupt nicht gereizt, durch Licht der Wellenlänge 450 immerhin zu ca. 30%.

Wenn das Gehirn also von den Blauzapfen eine hohe Aktionspotenzialfrequenz empfängt und gleichzeitig von den Grünzapfen eine geringe Aktionspotenzialfrequenz, so "weiß" es, dass blaugrünes Licht (ca. 450 nm) auf die Netzhaut fällt. Kommt dagegen nur eine hohe AP-Frequenz von den Blauzapfen, jedoch keine von den Grünzapfen, so "weiß" das Gehirn, dass blauviolettes Licht (ca. 380 nm) auf die Netzhaut fällt.

Ich hoffe, Sie haben jetzt verstanden, wie das Farbensehen funktioniert. Auf weitere Einzelheiten möchte ich hier verzichten, da das Thema - zumindest in NRW - überhaupt nicht abiturrelevant ist.

Das Farbensehen verdanken wir den drei verschiedenen Zapfentypen, die in unserer Netzhaut vorkommen, den Rotzapfen, den Grünzapfen und den Blauzapfen. Die Zapfentypen unterscheiden sich durch unterschiedliche Opsin-Komponenten, die zu unterschiedlichen Absorptionsmaxima der Farbpigmente sorgen. Aus den Aktionspotenzialen, die die drei Zapfentypen über den Sehnerv zum Gehirn schicken, kann das Gehirn dann in einem aufwändigen Rechenprozess die Wellenlänge des absorbierten Lichts bestimmen; subjektiv nehmen wir diese unterschiedlichen Wellenlängen dann als verschiedene Farben wahr.