Allgemeines
Polyethylen (PE) bzw. Polyethen ist nicht nur der einfachste, sondern auch der weltweit am meisten produzierte Kunststoff. Im Jahre 2012 hatte Polyethen einen Marktanteil von 30%; insgesamt wurden 2012 um die 120 Millionen Tonnen Polyethen hergestellt.
Geschichte des Polyethens
Das Makromolekül Polyethen wurde bereits entdeckt, als man noch gar nicht über "Kunststoffe" oder "Plastik" sprach, nämlich 1898 von dem deutschen Chemiker Hans von Pechmann. Diese Entdeckung war - sie so viele andere auch - eine reine Zufallsentdeckung. Pechmann wollte eigentlich etwas ganz anderes herstellen, aber dann fand er eine weiße, wachsartige Substanz in seinen Bechergläsern. Seine Kollegen erkannten dann, dass es sich um ein Polymer aus vielen CH2-Einheiten handelte. Entsprechend nannte man die Verbindung Polymethylen. Irgendwie schenkte man diesem Zufallsfund aber keine Beachtung, und so verschwand die Entdeckung wieder zwischen irgendwelchen Aktendeckeln.
Auch die erste industrielle Polyethen-Synthese im Jahre 1933 war mehr ein Zufallsfund. Die Chemiker gaben Ethen und Benzaldehyd zusammen, und bei sehr hohen Drücken entstand dann wieder diese weiße, wachsartige Substanz. Diesmal verschwand die Entdeckung aber nicht in irgendwelchen Schubladen, sondern man erkannte das Potenzial der Verbindung. Im Jahre 1939 wurde dann Polyethylen zum ersten Mal in großem Maßstab industriell hergestellt, und seit ca. 1944 wird Polyethen kommerziell produziert. In den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts wurden dann spezielle Katalysatoren entwickelt, die der Polyethenproduktion noch mal einen großen Schub gaben. Dank der Katalysatoren konnte der Kunststoffe bei niedrigeren Temperaturen und geringeren Drücken wesentlich kostengünstiger hergestellt werden.
Eigenschaften
Polyethen hat eine sehr glatte und wasserabweisende Oberfläche. Daher ist es recht widerstandsfähig gegen die meisten Säuren, Laugen und andere ätzende Chemikalien. Polyethen kann unter Wärmeeinwirkung verformt werden, daher gehört Polyethen zur Klasse der Thermoplasten.
Polyethen im Alltag
Im Alltag begegnet uns Polyethen hauptsächlich in Form von Plastiktüten und Kunststoff-Verpackungen. Viele Frischhaltefolien bestehen aus PE, aber auch viele Tragetaschen, Müllsäcke und so weiter. Auch im industriellen Umfeld wird PE für Verpackungen eingesetzt, aber auch viele Rohre, Behälter und Gefäße bestehen aus PE, zum Beispiel Flaschen für Reinigungsmittel im Haushalt. Das sogenannte PE-UHMW wird auch für Kunststoff-Zahnräder, Pumpenteile und sogar für Implantate verwendet.
Synthese
Polyethen wird - wie der Name bereits andeutet - aus dem Monomer Ethen hergestellt, dem einfachsten Alken. Der Reaktionsmechanismus ist eine radikalische Polymerisation. Zunächst wird ein Starter-Radikal S* benötigt. Meistens gewinnt man die Start-Radikale durch thermische Zersetzung eines instabilen organischen Peroxids. Das Starter-Radikal bricht dann die C=C-Doppelbindung eines Ethen-Moleküls auf und verbindet sich mit dem Ethylrest.
Die Bildung von Polyethen.
Dabei entsteht ein neues Radikal, das sich wieder an ein Ethen-Molekül setzt und sich mit diesem verbindet. So geht das ein paar Tausend Mal weiter, bis es zu einer Abbruchreaktion kommt,
- weil zufällig zwei Radikale zusammenstoßen,
- bis spezielle Stopp-Moleküle zugegeben werden, weil die gewünschte Kettenlänge erreicht ist, oder
- weil der Vorrat an Ethen erschöpft ist.
Meistens werden Polyethen-Moleküle mit einer Kettenlänge von mehreren 10.000 Ethen-Monomeren gewünscht.
Man sieht also leicht, dass Polyethen ein reiner Kohlenwasserstoff ist und daher auch gut thermisch verwertet werden kann - also sauber verbrannt werden kann, ohne dass schädliche Stoffe entstehen.
Polymerisation
Die Bildung von Polyethen aus Ethen ist ein Musterbeispiel für eine Polymerisation. Bei diesem Reaktionstyp werden die Monomere einfach zusammengehängt, ohne dass sich das Kohlenstoffgrundgerüst der Monomere verändert. Die Polymerbildung kommt durch das "Aufklappen" der C=C-Doppelbindungen der Monomere zustande. Damit unterscheidet sich die Polymerisation von der Polykondensation, wo jeweils ein Wasser-Molekül abgespalten wird, wenn zwei Monomere zusammenkommen, und auch von der Polyaddition, bei der sich Atomgruppen der Monomere umlagern, so dass das Polymer ein anderes Grundgerüst hat als die Monomere.
Polyethen-Typen
Man sollte nun denken, dass Polyethen immer die gleichen Eigenschaften hat. Dem ist aber nicht so, es gibt laut Wikipedia fünf verschiedene PE-Typen mit unterschiedlichen Eigenschaften. Vor allem die Kettenlänge der Polymer-Moleküle ist für die unterschiedlichen Eigenschaften verantwortlich, aber auch der Verzweigungsgrad.
Wäre Polyethen tatsächlich ausschließlich aus Ethen-Monomeren aufgebaut, gäbe es natürlich keine Verzweigungen im Molekül. Aber bei der radikalischen Kettenreaktion kommt es immer wieder mal vor, dass die einfach besetzte radikalische Kugelwolke am "rechten" Ende des Makromoleküls plötzlich zwei oder sogar drei C-Atome weiter nach links wandert und dass sich das nächste Ethen-Monomer dann nicht an das Ende der wachsenden Kette setzt, sondern etwas weiter davor. Eine ausführliche Darstellung finden Sie auf der Wikipedia-Seite im Abschnitt "Kettenverzweigungen".