Helmichs Chemie-Lexikon

Hydroxygruppe

Allgemeines

Die Hydroxygruppe, kurz OH-Gruppe, ist eine wichtige funktionelle Gruppe anorganischer und organischer Verbindungen, sie kommt nicht nur in Alkoholen und Phenolen vor, sondern auch in vielen anderen organischen Verbindungen, zum Beispiel in Carbonsäuren. Auch anorganische Verbindungen wie Salpetersäure, Schwefelsäure, Wasser etc. enthalten Hydroxgruppen.

Strukturdaten

Das O-Atom der OH-Gruppe ist sp3-hybridisiert. Die kovalente Bindung zum H-Atom erfolgt über eines dieser sp3-Orbitale, das sich dann mit dem s-Orbital des H-Atoms vereinigt. Ein zweites sp3-Orbital stellt die Verbindung zu dem Träger der OH-Gruppe her, beispielsweise zum C-Atom eines Alkylrestes. Die beiden verbliebenen sp3-Orbitale sind mit je zwei Elektronen besetzt. Es handelt sich um sogenannte freie Elektronenpaare. Eines dieser doppelt besetzten sp3-Orbitale kann dann mit einem leeren Orbital einer Lewis-Säure überlappen und dann eine dritte kovalente Bindung zum O-Atom bilden.

Das passiert zum Beispiel, wenn sich ein Proton an ein Wasser-Molekül anlagert und ein Oxonium-Ion bildet. Auch bei organischen Verbindungen mit einer OH-Gruppe kommt diese Reaktion vor, sie ist oft der erste Schritt zur Abspaltung der OH-Gruppe.

Der R-O-H-Bindungswinkel beträgt theoretisch 109 º, was dem normalen Tetraederwinkel entspricht. Beim Wasser-Molekül wird dieser Winkel allerdings auf 105 º verengt, da die beiden freien Elektronenpaare die Bindungselektronen abstoßen. Die Bindungslänge der O-H-Bindung beläuft sich auf 97 pm, die Bindungslänge der R-O-Bindung hängt ein wenig von dem Träger der Hydroxgruppe ab. Bei der Schwefelsäure zum Beispiel hat der S-O-Abstand den Wert 157,4 pm.

Die Bindungsdissoziationsenergie, die zwischen dem Träger-Atom und der OH-Gruppe besteht, hängt ebenfalls vom Träger-Atom ab. Beim Methanol-Molekül beträgt sie 385 kJ/mol, beim Ethanol-Molekül 393 kJ/mol, ist also größer. Bei einem teritären Alkohl ist die Bindungsdissoziationsenergie nicht wesentlich kleiner als bei einem primären Alkohol, sie hat immer noch den Wert 389 kJ/mol.

Vorkommen

In folgenden Verbindungsklassen kommen Hydroxgruppen hauptsächlich vor:

  • Verbindungen, die nur die Hydroxygruppe als funktionelle Gruppe besitzen, werden auch als Alkanole bezeichnet. Alkanole sind eine Untergruppe der Alkohole. Als Alkohole bezeichnet man Verbindungen mit einer Hydroxygruppe, die aber auch weitere funktionelle Gruppen enthalten können. Allerdings muss die Priorität der anderen funktionellen Gruppen kleiner sein als die Priorität der Hydroxygruppe.
  • Eine weitere wichtige Stoffklasse mit der Hydroxygruppe als funktioneller Gruppe sind die aromatischen Phenole, von denen die Verbindung Phenol wohl der wichtigste Vertreter ist (ein Benzolring mit einer OH-Gruppe).
  • Die Carbonsäuren enthalten in ihrer Carboxygruppe (COOH-Gruppe) ebenfalls eine Hydroxygruppe. Diese ist hauptverantwortlich für sie sauren Eigenschaften der Carbonsäure. An sich gibt eine an organische Verbindungen gebundene OH-Gruppe keine Protonen ab, der pKS-Wert ist in der Regel sehr hoch. Ist die OH-Gruppe jedoch mit anderen funktionellen Gruppen verbunden, die stark elektronegative Atome enthalten, so sinkt der pKS-Wert und die Neigung, ein Proton abzugeben, also als Säure zu reagieren, steigt an.
  • Hydroxycarbonsäuren enthalten neben der COOH-Gruppe eine eigene OH-Gruppe. Milchsäure und Weinsäure sind zwei bekannte Vertreter der Hydroxycarbonsäuren.
  • Anorganische Sauerstoffsäuren wie Salpetersäure, Schwefelsäure, Phosphorsäure oder Kohlensäure enthalten ebenfalls Hydroxygruppen, die Schwefelsäure zwei davon, die Phosphorsäure sogar deren drei.

Eigenschaften

Wenn keine andere funktionelle Gruppe vorhanden ist, verleiht die Hydroxygruppe der Verbindung ihre charakteristischen chemischen und physikalischen Eigenschaften.

physikalische Eigenschaften

Der Elektronegativitäts-Unterschied zwischen dem Sauerstoff- und dem Wasserstoff-Atom führt zu einer Polarisierung der O-H-Bindung, wodurch sich die Bindungselektronen dichter am Sauerstoff befinden und die OH-Gruppe zu einem Dipol wird. Wasserlöslichkeit und Siedetemperaturen solcher Dipol-Verbindungen sind meistens höher als bei vergleichbaren unpolaren Stoffen wie zum Beispiel Alkanen.

Darüberhinaus kann die OH-Gruppe H-Brücken mit anderen OH-Gruppen, NH2-Gruppen, O-Atomen, N-Atomen und ähnlichen Gruppierungen eingehen, was ebenfalls die physikalischen Eigenschaften der Verbindungen mit OH-Gruppen bestimmt. Das kann man gut an der homolgen Reihe der Alkanole erkennen.

Methanol, Ethanol und Propanol beispielsweise sind sehr gut wasserlöslich. Das liegt daran, dass die OH-Gruppe H-Brücken mit Wasser-Molekülen ausbilden kann.

Mit jedem zusätzlichen C-Atom dagegen nimmt die Wasserlöslichkeit der Verbindung ab, so dass Hexanol so gut wie wasserunlöslich ist. Hier ist der Einfluss der großen Alkylgruppe so groß, dass sich die OH-Gruppe nicht mehr auf die Wasserlöslichkeit auswirkt.

Auch bei den Siedetemperaturen macht sich der Einfluss der Hydroxygruppe bemerkbar. Hexan-1-ol hat einen sehr viel höheren Siedepunkt als n-Hexan, nämlich 157 ºC gegenüber 69 ºC. Der hohe Siedepunkt der Alkanole ist den OH-Gruppen im Molekül zu verdanken, die untereinander intermolekulare Wasserstoffbrücken-Bindungen eingehen können.

chemische Eigenschaften

Auch die chemischen Eigenschaften einer Verbindung werden durch das Vorhandensein einer Hydroxgruppe bestimmt. Die OH-Gruppe kann beispielsweise leicht ein Proton aufnehmen und anschließend als Wasser-Molekül abgespalten werden. Zurück bleibt ein reaktives Carbenium-Ion, das dann entweder ein Proton abgibt und zum Alken wird oder das ein Nucleophil aufnimmt und dadurch zu einer anderen Verbindung wird, zum Beispiel zu einem Halogenalkan. Die Eliminierung und die nucleophile Substitution sind typische Reaktionen von Verbindungen mit OH-Gruppen.

Die OH-Gruppe kann auch leicht oxidiert werden. Aus dem Alkanol Propan-1-ol beispielsweise entsteht durch Oxidation der Aldehyd Propanal, der weiter zur Carbonsäure Propansäure oxidiert werden kann.

Sekundäre Alkohole wie Propan-2-ol können leicht zu einem Keton oxidiert werden, in diesem Fall also zu Propanon, besser bekannt als Aceton.

Die OH-Gruppe der Carbonsäuren kann sehr leicht ein Proton abgeben, was den Carbonsäuren ihre sauren Eigenschaften verleiht (Säuren = Protonen-Donatoren).