Die 20 proteinogenen Aminosäuren
In der Natur gibt es viele Aminosäuren, laut dem Spektrum-Lexikon der Biologie über 260[2], nach dem neuen Lehninger sogar über 300 [5]. Aber nur 20 davon kommen in den Peptiden und Proteinen der bekannten Lebewesen vor. Diese 20 Aminosäuren werden als proteinogene Aminosäuren bezeichnet. Wörtlich übersetzt: "Aminosäuren, aus denen Proteine entstehen". Die Aminosäuren sind in reinem Zustand farblose kristalline Stoffe, die in festem Zustand überwiegend als Zwitterionen vorliegen[1].
Wer sich zunächst einen Überblick über den Aufbau und die Eigenschaften der 20 proteinogenen Aminosäuren verschaffen möchte, geht bitte auf die Seite Aminosäuren in dem Chemie-Lexikon auf dieser Homepage. Hier werden dann grundlegende Begriffe wie Aminogruppe, Carboxygruppe, Säure/Base-Begriff etc. erklärt.
Wer sich für die Chemie der Aminosäuren interessiert, also beispielsweise für die verschiedenen pKS-Werte der sauren Gruppen oder für Stereoisomerie, geht auf diese Seite in dem Chemie-Lexikon.
Einteilung der 20 proteinogenen Aminosäuren
Nach Römpp [1], Alberts [4] und anderen Quellen werden die 20 Aminosäuren in vier Gruppen eingeteilt:
- Ungeladene unpolare Aminosäuren
- Ungeladene polare Aminosäuren
- Positiv geladene basische Aminosäuren
- Negativ geladene saure Aminosäuren
Ich habe auf dieser Seite die Aminosäuren in acht Gruppen eingeteilt, ob das sinnvoll ist, sei mal dahingestellt, aber die Einteilung in vier Gruppen ist nicht in Stein gemeißelt. Der Lehninger beispielsweise teilt die Aminosäuren in fünf Gruppen ein [5].
- Aminosäuren mit Alkyl-Resten
- Aminosäuren mit einer OH-Gruppe im Rest
- Aminosäuren mit einem S-Atom im Rest
- Aminosäuren mit einem basischen Rest
- Aminosäuren mit einem sauren Rest
- Aminosäuren mit einer CONH2-Gruppe im Rest
- Aminosäuren mit einem aromatischen Rest
- Eine Aminosäure mit einem zyklischen Aufbau
1. Aminosäuren mit Alkyl-Resten
Hier drei typische Vertreter dieser Gruppe:

Drei Aminosäuren mit unpolaren Resten: Glycin, Alanin und Valin
Autor: Ulrich Helmich, Lizenz: siehe Seitenende
Die Gruppe der unpolaren Aminosäuren hat weitere Vertreter:

Die unpolaren Aminosäuren Leucin und Isoleucin
Autor: Ulrich Helmich, Lizenz: siehe Seitenende
Auch die Aminosäuren Prolin, Tryptophan, Phenylalanin und Methionin gehören zu den Aminosäuren mit unpolaren Seitenketten. Solche Aminosäuren werden auch einfach als ungeladene unpolare Aminosäuren bezeichnet. Nach Römpp, Alberts etc. bilden diese Aminosäuren die erste von vier Gruppen.
Die Stellung von Glycin ist etwas umstritten. Der Römpp ordnet Glycin bei den Aminosäuren mit polaren Seitenketten ein, das Spektrum-Lexikon der Biologie bei den Aminosäuren mit unpolaren Seitenketten, ebenso der Lehninger.
Diese Uneinigkeit könnte ihre Ursache darin haben, dass Alanin, Valin und so weiter einen Alkylrest als Seitengruppe haben. Alkylreste gelten in der Chemie allgemein als unpolar (hydrophob, lipophil). Glycin hat jedoch ein H-Atom als Rest, und H-Atome kommen auch häufig in stark polaren Verbindungen wie zum Beispiel Wasser oder Ammoniak vor.
2. Aminosäuren mit einer OH-Gruppe im Rest

Die polaren ungeladenen Aminosäuren Serin und Threonin
Serin und Threonin haben beide eine OH-Gruppe in der Seitenkette. Hydroxygruppen (OH-Gruppen) haben ein stark elektronegatives O-Atom und sind daher recht polar - das kennt man auch von Alkoholen her und natürlich vom Wasser-Molekül, das ja ein starker Dipol ist. Wegen der stark polaren OH-Gruppe ist dann auch die Seitenkette und damit die gesamte Aminosäure polar. Man achte aber darauf, dass in der Seitenkette des Serins keine elektrische Ladung vorkommt. Daher gehören Serin und Threonin zu den polaren ungeladenen Aminosäuren. Das entspricht dann der zweiten Gruppe nach der Einteilung von Römpp, Alberts etc.
Threonin ist übrigens die Aminosäure, die von allen 20 Aminosäuren zuletzt entdeckt wurde, nämlich erst 1938 [5].
3. Aminosäuren mit einem S-Atom im Rest

Die polaren Aminosäuren Cysten und Methionin
Autor: Ulrich Helmich, Lizenz: siehe Seitenende
Eng verwandt mit dem Serin ist das Cystein, eine äußerst wichtige Aminosäure, wie wir später noch sehen werden. Hier ist das O-Atom in der Seitenkette durch ein S-Atom ausgetauscht, also ein Schwefel-Atom. Die Seitenkette von Cystein ist nicht ganz so stark polar wie die Seitenkette von Serin, weil das Schwefel-Atom eine geringere Elektronegativität hat als das Sauerstoff-Atom.
Eine zweite Aminosäure mit einem Schwefel-Atom in der Seitenkette ist das Methionin, hier ist der Rest ebenfalls leicht polar und ungeladen. Also würde man die Aminosäuren Cystein und Methionin auch bei der zweiten Gruppe nach Römpp, Alberts etc. einordnen.
Bildung von Disulfidbrücken
Die Aminosäure Cystein kann sich mit einem zweiten Molekül Cystein zusammentun und dann eine Doppel-Aminosäure namens Cystin bilden:

Das Cystin-Molekül entsteht aus zwei Cystein-Molekülen
Autor: Ulrich Helmich, Lizenz: siehe Seitenende
Die Brücke aus zwei Schwefel-Atomen, welche die beiden Cystein-Moleküle verbindet, wird als Disulfidbrücke bezeichnet. Disulfidbrücken kommen in fast jedem Protein vor und stabilisieren die Struktur des Proteins.
Andere Aminosäuren mit ungeladenen aber polaren Seitenketten sind Tyrosin, Threonin, Asparagin und Glutamin. Auch diese vier Aminosäuren würden damit in die zweite Gruppe nach Römpp, Alberts etc. gehören.
4. Aminosäuren mit einem basischen Rest

Zwei basische Aminosäuren: Lysin und Arginin
Autor: Ulrich Helmich, Lizenz: siehe Seitenende
Auf diesem Bild sieht man zwei Aminosäuren, deren Seitenketten Aminogruppen enthalten. Unter geeigneten Bedingungen (protonenreiches Lösemittel) können die NH2-Gruppen ein Proton aufnehmen und werden dann zu positiv geladenen NH3+-Gruppen. Ist dies der Fall, trägt die Seitenkette der Aminosäure eine positive Ladung. Wegen der möglichen Protonen-Aufnahme durch die Aminogruppe werden diese Aminosäuren auch als basische Aminosäuren bezeichnet. Eine Base ist ja definitionsgemäß ein Teilchen, das in der Lage ist, ein Proton aufzunehmen.
Lysin und Arginin sind die beiden einzigen Aminosäuren, die tatsächlich ein basisches Verhalten zeigen. Dabei ist Arginin die stärkere Base von den beiden. Ist die NH2-Gruppe von Arginin durch die Aufnahme eines Protons positiv geladen, so kann diese positive Ladung über mehrere Atome verteilt werden. Diese Delokalisierung der positiven Ladung stabilisiert die Seitenkette [4]. Daher ist es für Arginin energetisch günstiger, ein Proton aufzunehmen als für Lysin, wo eine solche Stabilisierung durch Delokalisierung nicht erfolgen kann.
Histidin, eine Aminosäure, die bei Punkt 7 näher beschrieben wird, gehört nach Alberts [4] ebenfalls zu den basischen Aminosäuren. Allerdings ist Histidin nur sehr schwach basisch.
5. Aminosäuren mit einem sauren Rest

Zwei saure Aminosäuren: Asparaginsäure und Glutaminsäure
Autor: Ulrich Helmich, Lizenz: siehe Seitenende
Auf diesem Bild sieht man die Aminosäuren Asparaginsäure und Glutaminsäure, deren Seitenketten Carboxygruppen enthalten. Unter geeigneten Bedingungen (protonenarmes Lösemittel) können diese COOH-Gruppen ein Proton abgeben und werden dann zu negativ geladenen COO--Gruppen. Ist dies der Fall, trägt die Seitenkette der Aminosäure eine negative Ladung. Wegen der möglichen Protonen-Abgabe durch die Carboxygruppe werden diese Aminosäuren auch als saure Aminosäuren bezeichnet. Eine Säure ist ja definitionsgemäß ein Teilchen, das in der Lage ist, ein Proton abzugeben.
Saure und basische Aminosäuren spielen eine wichtige Rolle bei der Stabilisierung der Tertiärstruktur eines Proteins, wie wir an entsprechender Stelle noch sehen werden.
6. Aminosäuren mit einer CONH2-Gruppe im Rest

Zwei Aminosäuren mit polaren ungeladenen Resten: Asparagin und Glutamin
Autor: Ulrich Helmich, Lizenz: siehe Seitenende
Die beiden Aminosäuren Asparagin und Glutamin sind recht interessant. Auf den ersten Blick könnte man sie für zwei weitere basische Aminosäuren halten, da sie eine Aminogruppe im Rest tragen. Sie reagieren aber nicht basisch; die C=O-Gruppe direkt vor der NH2-Gruppe erschwert die Aufnahme eines Protons durch die Aminogruppe, d.h., die Basizität der Aminosäuren ist durch die Carbonylgruppe (C=O-Gruppe) stark herabgesetzt. Alberts [4] ordnet die beiden Aminosäuren daher zu den ungeladenen polaren Aminosäuren ein (Gruppe 2 von 4).
Asparagin ist die erste Aminosäure, die überhaupt entdeckt wurde. 1806 fanden die französischen Forscher Vauquelin und Robiquet die Aminosäure beim Eindampfen von Spargelsaft. Von diesem Gemüse hat die Aminosäure auch ihren Namen (Spargel = Asparagus).
7. Aminosäuren mit einem aromatischen Rest

Zwei Aminosäuren mit aromatischen Resten: Histidin und Phenylalanin
Autor: Ulrich Helmich, Lizenz: siehe Seitenende

Zwei weitere Aminosäuren mit aromatischen Resten: Tryptophan und Tyrosin
Autor: Ulrich Helmich, Lizenz: siehe Seitenende
Die vier Aminosäuren Histidin, Phenylalanin, Tryptophan und Tyrosin enthalten aromatische Reste. Das heißt jetzt nicht, dass sie besonders gut riechen, sondern die Reste enthalten ein Ringmolekül, das den Kriterien des aromatischen Zustandes entspricht. Das Tyrosin hat noch eine OH-Gruppe am Benzolring hängen und besitzt daher einen leicht polaren Rest, wird daher von Alberts [4] bei den Aminosäuren mit einem ungeladenen polaren Rest eingeordnet.
8. Eine Aminosäure mit einem zyklischen Aufbau

Die Aminosäure Prolin
Autor: Ulrich Helmich, Lizenz: siehe Seitenende
Die Aminosäure Prolin lässt sich nur ganz schwer einordnen. Sie hat einen Aufbau, der von dem allgemeinen Bau der Aminosäuren abweicht. Prolin besitzt nämlich keine freie Aminogruppe, sondern die Aminogruppe ist in einen Ring aus vier C-Atomen und einem N-Atom integriert, an dem dann die Carboxygruppe sitzt. Nach Alberts [4] gehört Prolin zu den Aminosäuren mit einem unpolaren Rest, also zur Gruppe 1.
Die 20 Aminosäuren
Hier ein (selbstgezeichneter) Überblick der 20 Aminosäuren, die in Lebewesen eine Rolle spielen:
Auf diesem Bild sind die 20 Aminosäuren farbig nach der Einteilung von Römpp, Alberts etc. unterlegt:
- Gelb = ungeladene unpolare Aminosäuren
- Grün = ungeladene polare Aminosäuren
- Rot = negativ geladene saure Aminosäuren
- Blau = positiv geladene basische Aminosäuren
Die negativen bzw. positiven Ladungen der Gruppen 3 und 4 wurden hier nicht mit eingezeichnet, aber man kann sich ja leicht denken, dass die COOH-Gruppen ein Proton abgeben und die NH2-Gruppen eines aufnehmen können.
Die Markierung (E) ist ein Hinweis für die Leute aus dem Fach Ernährungslehre. Das (E) steht für essentiell. Diese Aminosäuren müssen mit der Nahrung aufgenommen werden, weil sie der menschliche Stoffwechsel nicht selbst aus anderen Aminosäuren, Zuckern oder sonstigen Verbindungen herstellen kann.
Quellen:
- Römpp Chemie-Lexikon, 9. Auflage 1992, Artikel "Aminosäuren".
- Spektrum Lexikon der Biologie, Artikel "Aminosäuren" 1999
- Wikipedia, Artikel zu den einzelnen Aminosäuren
- Alberts, Bruce et al. Molekularbiologie der Zelle, 6. Auflage, Weinheim 2017.
- Nelson, Cox. LEHNINGER Principles of Biochemistry. Macmillan Learning, New York 2021.
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