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Art und Konzentration des Nucleophils

Substrat - Lösemittel - Nucleophil - Nucleofug - Weitere Faktoren - Konkurrenz - Zusammenfassung - Abitur

Konzentration des Nucleophils

Ist die Konzentration des Nucleophils recht klein, ist es eher unwahrscheinlich, dass ein Molekül des Nucleophils mit dem organischen Edukt zusammenstößt und die Abgangsgruppe aus dem Edukt verdrängt. Wahrscheinlicher ist dagegen ein spontaner Zerfall des organischen Edukts in ein Carbenium-Ion und die Abgangsgruppe. Durch ein polares Lösemittel wird dies noch begünstigt, da die beiden Ionen dann durch die Lösemittel-Moleküle stabilisiert werden (Solvathülle). Niedrige Nucleophil-Konzentrationen begünstigen also den SN1-Mechanismus. Allerdings darf man dann keine hohe Produkt-Ausbeute erwarten. Wenn die Nucleophil-Konzentration recht gering ist, kann logischerweise auch nicht viel Reaktionsprodukt entstehen.

Hohe Nucleophil-Konzentrationen machen dagegen einen Zusammenstoß zwischen Nucleophil und R-X wahrscheinlicher und begünstigen somit den SN1-Mechanismus.

Stärke und Polarisierbarkeit des Nucleophils

Je reaktiver das Nucleophil, desto eher findet die SN2 statt. Ein starkes Nucleophil lagert sich leichter an das zentrale C-Atom des organischen Edukts an. Ein schwaches Nucleophil dagegen "muss warten", bis sich das organische Edukt von selbst in ein Carbenium-Ion umgewandelt hat. Daher begünstigen schwache Nucleophile die SN1-Reaktion.

Nucleophilie

Die Nucleophilie eines Ions, Atoms oder Moleküls hängt übrigens von mehreren Faktoren ab, die auf der Expertenseite "Nucleophilie" näher erläutert werden: Solvationsenergie des Lösemittels, Stärke der neuen R-Y-Bindung, Sterische Faktoren, Elektronegativität des Nucleophils und Polarisierbarkeit des Nucleophils.

Der Basencharakter ist nicht entscheidend für die Nucleophilie eines Teilchens

Das OH--Ion ist bekanntlich eine recht starke Base. Das verwandte SH--Ion ist eine deutlich schwächere Base.

Basen sind nach Brönsted Teilchen, die Protonen aufnehmen können, und nach Lewis elektronegative Teilchen mit einem freien Elektronenpaar.

Nun sollte man doch meinen, dass das OH--Ion auch ein stärkeres Nucleophil ist als das SH--Ion. Das Gegenteil ist aber der Fall; das SH--Ion ist das stärkere Nucleophil.

Einen ähnlichen Effekt beobachten wir bei den Halogenid-Ionen. Das Chlor ist eine deutlich aggressivere Substanz als das Iod, und man sollte doch erwarten, dass Chlorid-Ionen stärkere Nucleophile sind als Iodid-Ionen. Aber auch hier ist das Gegenteil der Fall: Iodid-Ionen sind starke Nucleophile, Bromid-Ionen sind etwas schwächer, Chlorid-Ionen noch schwächer, und die Fluorid-Ionen des höchst aggressiven Fluors sind sehr schwache Nucleophile - jedenfalls in protischen Lösemitteln. In aprotischen Lösemitteln ist es übrigens genau umgekehrt; hier sind die Iodid-Ionen die schwächsten Nucleophile. Da sieht man mal wieder, dass man stets mehrere Faktoren berücksichtigen muss, wenn es um die Stärke eines Nucleophils geht.

Beiden Beispielpaaren - OH--Ion / SH--Ion und Cl--Ion / I--Ion - ist Folgendes gemeinsam: Das jeweils größere Ion ist das stärkere Nucleophil. I--Ionen haben eine größere Elektronenhülle als Cl--Ionen, und SH--Ionen haben eine größere Elektronenhülle als OH--Ionen. Bei den großen Ionen sind die Außenelektronen weiter vom Kern entfernt, sie "sitzen nicht mehr so fest", können also leicht beeinflusst bzw. polarisiert werden. Man spricht hier auch von der "Weichheit" der Elektronenhülle oder von weichen Ionen. Nähert sich ein solches weiches Ion dem positiv polarisierten C-Atom einer Verbindung R-X, so werden die Außenelektronen des Nucleophils leichter zum C-Atom gezogen, und es bildet sich schneller eine lockere Bindung zum C-Atom. Und damit hat sich quasi schon der Übergangszustand des SN2-Mechanismus gebildet.

Große Ionen sind meistens stärkere Nucleophile als kleine Ionen und lassen sich leichter vom zentralen C-Atom polarisieren, was den Übergangszustand des SN2-Mechanismus begünstigt. Für protische Lösemittel gilt folgende Nucleophilie-Reihenfolge:

SH- > I- > OH- > NH3 > Br- > Cl- > F- > H2O